Alter: 27
Mutter von: Leon (stolze 3 – denn dann darf man Kindergartenkind sein)
Stadt: Ravensburg
Beruf: Studentin in der Endphase (endlich)
Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen und habe damit angefangen, kurz bevor ich mit Leon schwanger wurde. Als der Kleine im November 2009 auf die Welt kam, bin ich im Studium ein ganzes Stück kürzer getreten und habe nur die Vorlesungen und Prüfungen mitgemacht, die ich mir wirklich zugetraut habe. Nach 10 Monaten habe ich aber gemerkt, dass ich auch mehr schaffen kann und möchte. Wir hatten großes Glück, dass Leon schnell einen Platz in einer Kinderkrippe bekommen hat. Anfangs war es furchtbar schwer für mich, meinen Sohn abzugeben, und ich hatte oft ein schlechtes Gewissen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es für seine Entwicklung ganz gut ist – er konnte sehr schnell krabbeln und laufen und hat sich auch in seinem Sozialverhalten toll entwickelt. Leon war anfangs nur halbtags in der Krippe, hat dann aber selbst sehr schnell signalisiert, dass er gerne länger bleiben möchte. Deshalb ist er seit September 2011 ganztags in der Krippe. Nachmittags habe meistens ich ihn abgeholt, manchmal auch sein Papa. Seit eineinhalb Jahren bin ich alleinerziehend und seitdem darauf angewiesen, dass ich einen Ganztagesplatz für Leon habe. In den theoretischen Phasen im Studium konnte ich Leon immer sehr gut selbst abholen. Seit September bin ich aber im Praxissemester und muss oft länger arbeiten, als die Kinderkrippe geöffnet ist. Da habe ich großes Glück, dass die Großeltern alle in der Nähe wohnen und jederzeit bereit sind, zu helfen. Leon wird jetzt, kurz nach seinem Geburtstag, aus der Kinderkrippe in den Kindergarten wechseln. Er selbst freut sich total darauf und möchte eigentlich schon seit unserem Probetag dort ein Kindergartenkind sein. Ich bin schon gespannt, wie er damit umgehen wird, dass es eine dauerhafte Umstellung von Kinderkrippe auf Kindergarten ist – vor allem, wenn er nicht mehr das größte Kind ist und sich daran gewöhnen muss, sich von den größeren Kindern etwas sagen lassen zu müssen.
Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Zur Zeit bin ich im Praxissemester bei einem großen Unternehmen in der Nähe angestellt. Dort muss ich ganz normal meine 35-Stunden-Woche einhalten, habe aber oft genug für 40 Stunden Arbeit. Glücklicherweise ist mein Arbeitgeber sehr familienfreundlich und einigermaßen flexibel, was den Arbeitszeitrahmen angeht. Innerhalb meiner Abteilung wissen alle, dass man als Alleinerziehende manchmal auch Termine hat, mit denen es nicht möglich ist, morgens schon ab sechs und danach bis 17 Uhr im Büro zu sein, und darauf stellen sich auch die Kollegen wirklich gut ein. Ganz selten nehme ich mir ein bisschen Arbeit mit nach Hause, um sie noch zu erledigen, wenn Leon im Bett ist. Durch die Arbeit sind unsere Wochentage sehr stark durchorganisiert und haben meistens einen festen Zeitplan. Für mich ist das anstrengend, wenn ich von früh morgens bis spät abends unterwegs bin und immer die Planung sowohl von meiner als auch von Leons Woche im Kopf habe. Über den Tag verteilt kommt diese Anstrengung aber nicht so durch und ich habe gar keine Zeit, erschöpft zu sein – es ist einfach klar, dass ich allein für Leon verantwortlich bin und dass alle Aufgaben nur auf meiner Liste stehen. Klar gibt es Tage, an denen ich mal wieder länger schlafen oder doch nicht in die Arbeit möchte, aber das hat jeder mal. Mir hilft es, dass ich mich eben nicht herausreden kann, indem ich sage „Warum macht das jetzt nicht Leons Papa?“, denn der ist nicht da, und das war zum Großteil meine eigene Entscheidung. Es ist toll, dass die Omas und Opas da sind und alle Leon so sehr lieb haben und froh sind, Zeit mit ihm zu verbringen. Ich erlaube mir das wirklich selten, aber manchmal habe ich nach der Arbeit oder einer stressigen Woche einfach mal das Bedürfnis, einen Tag auszuschlafen und dann könnte ich gar nicht ohne die Omas und Opas und Onkels und alle, die da sind, und für die ich soooo dankbar bin.
Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Ich stehe morgens zwischen viertel nach sechs und halb sieben auf, mache die ganz normale Dusch-fürs-Büro-Anzieh-Schmink-Routine und gehe währenddessen den restlichen Morgen oder Tag schon mal in Gedanken durch. Leon braucht für die Kinderkrippe nachmittags eine kleine Mahlzeit, die er mitbringen muss. Die bereite ich dann vor, während er noch schläft, trinke dann meinen Kaffee und gehe einmal die wichtigsten Nachrichten oder auch nur instagram durch. So gegen sieben wecke ich Leon, er frühstückt meistens ein Brot oder ein Müsli und dann ziehe ich ihm an, was ich schon zurecht gelegt habe. So gegen halb acht sind wir bereit, aus dem Haus zu gehen und fahren zur Kinderkrippe. Ich schaffe es meistens gegen viertel nach acht auf den Zug zur Arbeit und bin dort bis zwischen fünf und sechs am Abend. Leon ist schon seit halbvier bei Oma, und je nachdem, wie seine Laune ist, hole ich ihn nach der Arbeit ab oder Oma bringt ihn direkt nach Hause. Wenn Leon gegen acht ins Bett geht, bleibt noch ein bisschen Zeit für den Haushalt (der sich leider wirklich nicht von allein macht) und dann bin ich so gegen zehn im Bett. Das muss dann aber auch sein, um am Morgen wieder aus den Federn zu kommen.
Wieviel Zeit hast du für dich – jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Im Moment habe ich relativ wenig Zeit für mich – so jenseits von Beruf, Haushalt und Kind. Als Alleinerziehende bist du eben doch immer der Ansprechpartner, wenn es Fragen oder Schwierigkeiten gibt. Und selbst wenn der Kleine mal nicht da ist, denke ich ständig über alles nach, was mit ihm ansteht – was müssen wir noch erledigen/einkaufen/planen… Da gibt es einfach niemand anderen, mit dem ich mir das teilen kann, das ist mein Job als alleinerziehende Mama. Leon ist aber alle vier Wochen beim Papa und verbringt dort meistens 4-5 Tage. Das ist dann meine Zeit für mich. Anfangs konnte ich das noch nicht so genießen und war die ganze Zeit angespannt, ob alles in Ordnung ist mit ihm. Mittlerweile sehe ich das aber wirklich als meine Auszeit – ich weiß, dass Leon in guten Händen ist und kann so auch mal einfach Dinge machen, die mir Spaß machen.
Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Ich hatte mir das Muttersein bis zu dem Moment, in dem ich erfahren habe, dass ich Mutter werde, gar nicht vorgestellt. Das heißt nicht, dass ich nie Kinder wollte – ich wollte schon immer ganz viele Kinder haben - aber als es dann tatsächlich soweit war, habe ich versucht, mit so wenig wie möglich vorgefertigten und übernommenen Vorstellungen und Erwartungen an die Sache zu gehen. Deshalb kann ich nicht mal sagen, was ich mir genau so und was ich mir anders vorgestellt habe. Ich glaube, was man sich vorher am wenigsten vorstellen kann, ist die Liebe, zu der man fähig ist. Selbst an Tagen, an denen wirklich alles schief gelaufen ist, kann dieses kleine Lächeln, die strahlenden Augen, alles vergessen machen, weil ich weiß, dass es das alles wert ist für diesen kleinen Menschen, der mich zu einer Mama macht.
Was empfindest du als besonders anstrengend?
Das Alles-unter-einen-Hut-bekommen. Im Studium war meistens nur Studium und Kind, und ich konnte gut auch mal eine Vorlesung ausfallen lassen, wenn der Kleine was hatte. Jetzt versuche ich, die Arbeit, die Zeit mit dem Kleinen, die Arzttermine und alle anderen Termine unter einen Hut zu bekommen, und das gelingt mal mehr und mal weniger gut. Das Anstrengende daran ist aber nicht die Hektik, die dadurch manchmal entsteht, sondern eher die Gedanken, die das verursacht: Werde ich meinem Kind wirklich gerecht, wenn ich versuche, so vieles auf einen Schlag zu schaffen? Kann ich meinen Sohn so glücklich machen, wie er es verdient?
Was macht dich besonders glücklich?
Mein Kind glücklich zu sehen. Da ich im Moment wenig Zeit mit ihm verbringe, versuchen wir beide wenigstens, die gemeinsame Zeit so gut wie möglich zu nutzen. Und ihn dann glücklich zu sehen, macht mich glücklich und zeigt mir, dass wir ein gutes Team sind. Außerdem ist es ein sooooooooooooooo tolles Gefühl, dass ich sagen kann, dass ich das alleine schaffe. Es ist oft anstrengend und manchmal weiß ich nicht, wie ich den nächsten Tag überstehen soll, aber es geht immer irgendwie und am Ende des Tages kann ich mir dann sagen „Hey, das hab ich hingekriegt. Ich hab so viele Baustellen gleichzeitig und trotzdem schaffe ich es, meinen Sohn zu dem zu machen, was er ist – zum in meinen Augen tollsten Kind überhaupt. Und das ist zum Großteil mein Verdienst!“
Welches Verhältnis hast du zum Vater deines Kindes? Wie hat das Kind dieses Verhältnis verändert?
Ich kannte Leons Papa noch nicht wahnsinnig lange, bevor ich schwanger wurde. Dadurch mussten wir uns während der Schwangerschaft und der ersten Zeit mit Kind nicht nur als Eltern, sondern auch als Paar völlig neu kennenlernen. Leider hat sich dabei herausgestellt, dass wir doch nicht so gut miteinander funktionieren, wie wir gehofft hatten. Deshalb haben wir uns getrennt. Damit haben wir uns viel Zeit gelassen, weil man doch immer denkt, dass ein Kind mit Mutter und Vater gemeinsam besser aufwachsen kann, als wenn die Eltern getrennt sind. Wir haben uns aber teilweise auch heftig gestritten, zu Beginn wenn Leon nicht dabei war, später stand er eben doch oft daneben. Leon war zu der Zeit knapp über ein Jahr alt und hat das schon stark mitbekommen. Nachts habe ich gemerkt, dass er nach unseren Streits schlecht geschlafen hat, und tagsüber war er sehr anhänglich und hatte Trennungsängste. Das ist vielleicht zu einem gewissen Grad auch Teil der ganz normalen Entwicklung eines Kindes, bei Leon war es dann aber so schlimm, dass irgendwann klar wurde, dass es so nicht weitergehen konnte. Leons Papa ist dann für die Arbeit in die Nähe von Darmstadt gezogen – das hatte er auch unabhängig von unserer Trennung geplant – und so waren wir nicht nur als Paar, sondern auch räumlich weit genug voneinander entfernt. Anfangs war es wahnsinnig schwierig, miteinander umzugehen, weil einige Konflikte da waren – vor allem natürlich, was Leons Erziehung anging. Jeder war der Meinung, dass er das am besten konnte. Da war es oft schwer, Absprachen zu treffen und die eigene Meinung zum Wohle des Kindes auch mal hinten anstehen zu lassen. Mittlerweile geht das wirklich gut. Es ist genug Zeit vergangen, sodass wir akzeptieren können, dass wir als Paar nicht funktionieren und dass die Trennung die richtige Entscheidung war. Wir beide haben eingesehen, dass es in erster Linie um den Kleinen geht und dass jeder von uns sein Bestes will – selbst wenn wir beide das nicht genau gleich definieren, gehen wir jetzt meistens entspannter damit um. Leider ist Leon noch zu klein, um zu sagen, wie er die Trennung wahrgenommen hat. Aus meiner Sicht hat er es aber geschafft, trotz der auch für ihn schweren Zeit ein sehr offenes Kind zu werden. Er hat nur noch ganz selten ganz stark das Bedürfnis nach Nähe und ist jetzt eigentlich eher neugierig auf die Welt. Ich glaube, für ihn ist es gut, dass sein Papa nicht direkt bei uns in der Nähe wohnt. So kann er klar abgrenzen, wann Papa-Wochenenden sind und freut sich viel mehr darauf, als wenn er seinen Papa einfach jederzeit sehen könnte. Dadurch, dass er bei der Trennung noch relativ klein war, konnte er auch gut in die Situation hineinwachsen und sich früh daran gewöhnen. Ich hoffe immer, dass das für ihn besser ist, als wenn wir erst fünf Jahre zusammen gewesen wären und uns dann getrennt hätten.
Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Manchmal gewinnt man in der letzten Zeit den Eindruck, die Politik weiß selbst nicht genau, wie sie Eltern unterstützen soll. Auf der einen Seite wird bestätigt, dass jedes Kind das Recht auf einen Betreuungsplatz hat, dann sind aber leider nicht genug Plätze vorhanden und es ist rechnerisch doch wieder leichter, den Eltern die „Herdprämie“ zu versprechen, damit sie dieses Recht nicht in Anspruch nehmen. Außerdem die Frauenquote. Man möchte festschreiben, wieviel Prozent der Führungskräfte weiblich sein sollen. Aber: haben eigentlich genug Frauen die Möglichkeit, in Führungspositionen zu kommen? Als Frau bist du heute oft noch wie selbstverständlich für die Kindererziehung zuständig, weil Männer häufig höhere Einkommen haben, auf die die Familien nicht verzichten können. Man müsste also die Kindererziehung und die Karriere gleichzeitig stemmen – das geht häufig gar nicht. Man bekommt ja keine Kinder, um sie dann rund um die Uhr fremdbetreuen zu lassen und sie höchstens am Wochenende für drei Stunden zu sehen. Und: möchte man überhaupt als Quotenfrau an der Spitze stehen? Ist nicht die Anerkennung viel höher, wenn man es durch Leistung geschafft hat? Für mich als Alleinerziehende ist der wichtigste Punkt aber die Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Ich finde, Unternehmen sollten vom Staat darin gefördert und gefordert werden, Eltern und vor allem Alleinerziehenden die Möglichkeit zu geben, flexibler zu arbeiten. Oft geht es einfach nicht, dass man seinen „Nine to Five“-Job genauso erledigt. Ich merke bei mir selbst, dass ich wahnsinnig gern arbeite. Aber im Hinblick auf die Kinderbetreuung wäre es oft einfacher, man hätte die Gelegenheit, auch mal abends von zuhause aus zu arbeiten. Oder einfach nur, wenn das Kind mal krank im Bett liegt. Da finde ich, sollte mehr getan werden.
Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Hm, wieviel Platz hab ich denn hier? Ich habe gelernt, mit nur fünf Stunden Schlaf auszukommen und Kaffee als Ersatz für Schlaf einzusetzen. Das ist eine der offensichtlichen Lektionen, die man mitnimmt. Aber da ist viel mehr: Seitdem Leon da ist habe ich gelernt, die Meinung meines Umfeldes nicht mehr so stark in den Fokus und als Ziel meines Tuns zu stellen. Wenn du Mutter wirst, hat jeder tausend Ratschläge und Erwartungen an dich. Ich habe durchs Muttersein gelernt, gelassener damit umzugehen und mehr auf meine eigene Intuition zu hören – das macht meinen Sohn und mich oft zufriedener, als jeden guten (oder gut gemeinten) Ratschlag auszuprobieren.
Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
In dem Fall müsste ich hoffen, dass ich schon früh genug davon wusste. Denn dann würde ich mich schnellstmöglich in den nächsten Flieger nach Hamburg setzen. Die Stadt, die mich wie keine andere glücklich machen kann. Und da steht dann alles auf dem Plan, was mich größtmöglich entspannt: An den Landungsbrücken oder in der Strandperle sitzen und stundenlang aufs Wasser schauen, im Elbgold oder bei Herrn Max Frühstücken und zum Kaffee sitzen (oder, wenn’s ein kinderfreies Wochenende ist, einen Abend feiern und am nächsten Morgen im Fischmarkt frühstücken) und auf jeden Fall in der Bullerei Mittagessen.
Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Da kann man keinen guten Ratschlag geben, das muss jeder für sich entscheiden. Ich würde ihr nur sagen, dass sie sich auf keinen Fall für ein Kind entscheiden soll, um Selbstbestätigung oder Liebe zu finden. Klar, ein Kind gibt einem wahnsinnig viel Gutes zurück, aber ich befürchte, dass Frauen sich häufig für Kinder entscheiden, weil ihnen im eigenen Leben etwas fehlt, das sie nicht genau beschreiben können – und dafür ein Kind zu bekommen, halte ich für den falschen Weg. Wenn die Frau aber den Anschein macht, als würde sie sich voll und ganz auf alle Höhen und Tiefen einlassen können, die das mit sich bringt, dann JA!, denn ein Kind zu haben ist meiner Meinung nach die schönste und weitreichendste Erfahrung, die man machen kann.
Herzlichen Dank, liebe Berit!
Hier sind die anderen Mutter-Fragebögen nachzulesen.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und einen schönen ersten Advent!