UND WIE MACHST DU DAS, VIOLA?


Name: Viola (vom wunderbaren Blog Kikabu)
Alter: 37
Mutter von: Noah (6 Jahre) und Luke (2 Jahre)
Stadt: Burgwedel, Niedersachen
Beruf: Freie Journalistin

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Mit der Kinderbetreuung für unsere Jungs bin ich sehr zufrieden. Für unsere aktuellen Bedürfnisse reicht sie vollkommen aus. Der Große hatte bis vor kurzem einen 13-Uhr-Platz in der Kita und geht ab September in die Grundschule. Dort wird er bis 12.45 Uhr betreut werden und kommt anschließend nach Hause. Der Kleine geht seit November bis 15 Uhr in die Krippe. Grundschule, Krippe und Kindergarten erreichen wir in wenigen Minuten mit dem Rad oder zu Fuß.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
In unserer Familie ist mein Mann der Hauptverdiener. Ich habe lange in Hannover als feste Freie in einer Redaktion gearbeitet. Mit dem zweiten Kind ließ sich das nicht mehr vereinbaren und es hätte sich auch finanziell für mich nicht mehr gelohnt. Im Moment arbeite ich bis mittags an kleineren Aufträgen im Home-Office. Da ich im Büro aber sehr viel effektiver arbeiten kann als Zuhause, wo die unaufgeräumte Küche und der krümelige Teppich schon auf mich warten, wäre es schon schön, irgendwann wieder in einer Redaktion oder einer Agentur zu arbeiten. Da mein Mann auch selbstständig ist und ein- bis zweimal im Jahr drei Wochen unterwegs ist, kommt ein Vollzeitjob für mich nicht in Frage.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Wir stehen gegen 7.15 Uhr auf, ich gehe ins Badezimmer und mache mich fertig. In dieser Zeit spielen und malen die Kinder und es müssen die ersten kleinen Kabbeleien geschlichtet werden. Danach frühstücken wir zusammen. Der Große zieht sich selber an, der Kleine wird zum Schluss fertig gemacht, weil mir die Erfahrung gezeigt hat, dass immer noch zu viele Marmeladen-Kleckse auf den sauberen Klamotten landen. Dann bringe ich den Kleinen in die Krippe. Der Große wird im September eingeschult und ist momentan den ganzen Tag Zuhause. Bis mittags sitze ich bei mir im Büro und schreibe Texte. Anschließend mache ich uns etwas zu essen und gegen 14.30 Uhr hole ich den Kleinen aus der Krippe ab. Danach spielen die Jungs, ich räume den Geschirrspüler ein und aus, wasche Wäsche und versuche die Unordnung etwas in den Griff zu bekommen. Der Nachmittag wird dann meistens zu Hause und im Garten verbracht, wir fahren Eis essen, erledigen die Einkäufe gemeinsam und N. wird zum Judo oder zum Schwimmen gebracht. Wenn mein Mann Zuhause ist, arbeitet er ein paar Stunden im Büro und hat nachmittags Zeit für uns. Gegen 19 Uhr essen wir gemeinsam Abendbrot. Nach dem Essen beginnt für mich die schönste Zeit des Tages: Wir bringen die Kinder ins Bett, lesen ihnen etwas vor, reden oder machen Quatsch. Ab 21 Uhr ist meistens Ruhe. Oft setze ich mich dann an den Computer, arbeite noch an Texten und Posts für mein Blog und genieße einfach diese herrliche Stille. Wenn nichts mehr zu tun ist, lege ich mich mit meinem Mann aufs Sofa und wir gucken ganz profan Fernsehen, manchmal DVDs. Das Ende der Filme erlebe ich in den seltensten Fällen, weil ich einschlafe. Gegen 24 Uhr gehen wir ins Bett.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Die vier Stunden am Vormittag und die Stunden am Abend reichen mir in der Regel aus. An manchen Tagen, wenn ich nicht gut drauf bin, reicht das aber auch nicht. Dann möchte ich mir am Liebsten den ganzen Tag die Decke über den Kopf ziehen und mal nicht Mama sein. Was mir wirklich fehlt, ist mehr Zeit mit meinem Mann: Essen gehen, uns mit Freunden treffen, mal etwas ohne Kinder unternehmen. Das kommt bei uns viel zu kurz. Ein Ausgleich zum Mama-Alltag ist bei mir tatsächlich das Bloggen geworden. Vor einem Jahr habe ich noch gesagt: "Ich habe keine Zeit für dieses oder jenes Projekt." Jetzt nehme ich mir einfach die Zeit und probiere neue Dinge aus. Das tut unglaublich gut.

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Als ich mit unserem ersten Sohn schwanger war, war ich so voller Vorfreude, dass ich mir damals keine großartigen Gedanken ums Muttersein gemacht habe. Ich hätte aber nie gedacht, dass ich so eine Glucke werde, die ihre Kinder kaum aus den Augen lassen kann. Ich konnte mir vorher auch nicht vorstellen, dass die Mutterliebe tatsächlich vom ersten Moment an da ist und immer, immer stärker wird.

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Auch nach sechs Jahren kann ich mich einfach nicht an das frühe Aufstehen gewöhnen. Ich habe die typische Mutter-Schlaf-Krankheit, dass ich bei jedem kleinsten Geräusch sofort aufwache. Meine Nacht hat, wenn´s gut läuft, sechs Stunden und damit kann ich ganz gut leben. Besonders anstrengend sind die kleinen Reibereien zwischen den Kindern, wobei die wirklich noch klein sind. Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass meine Nerven mit den täglichen Herausforderungen nicht stärker, sondern eher schwächer werden. Und die ständigen Diskussionen mit unserem Großen um Fernsehen, Essen, ins Bett gehen und andere Dinge machen mich an manchen Tagen wahnsinnig.

Was macht dich besonders glücklich?
Es sind die kleinen Dingen, die mich so richtig glücklich machen: Mit dem Kleinen abends am Planschbecken sitzen, den Mond ansehen und gemeinsam ein Schlaflied singen. Dem Großen bei seinen ersten Rapversuchen zuhören. Zu sehen, dass sich die Jungs trotz vieler kleiner Streitereien sehr lieb haben. Abends mit meinem Mann die Stille auf unserer Terrasse genießen. Ein gemeinsamer Ausflug. Wir sind sehr dankbar und glücklich, dass wir zwei gesunde und unglaublich süße Kinder haben.

Welches Verhältnis hast du zum Vater deiner Kinder? Wie haben die Kinder dieses Verhältnis verändert?
Ich habe meinen Mann mit 24 kennengelernt. Für uns war von Anfang an klar, dass wir Kinder haben möchten, nur wann, wussten wir nicht so genau. Ich habe erstmal mein Studium abgeschlossen und ein paar Jahre als Journalistin gearbeitet. Bis dahin haben wir unser gemeinsames Leben als Paar sehr genossen. Nach sechs Jahren Beziehung war uns klar: "Jetzt möchten wir ein Kind". 2006 wurde unser erster Sohn geboren, knapp vier Jahre später dann der zweite. Wir haben uns also viel, viel Zeit genommen. Jetzt mit zwei Kindern läuft der Alltag ziemlich routiniert und die Zweisamkeit kommt eindeutig zu kurz. Abends mal essen gehen oder spontan mit Freunden treffen, schaffen wir nur wenige Male im Jahr. Weil wir uns aber sehr gut kennen und uns absolut aufeinander verlassen können, meistern wir auch sehr schwierige und anstrengende Zeiten.

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Ich finde es gut, dass es ab 2013 für unter 3-Jährige den Anspruch auf einen Krippenplatz gibt, wobei ich mir sehr sicher bin, dass der bundesweite Ausbau nicht rechtzeitig fertig werden wird. Wir haben bei uns in einer wohlhabenden Kommune viel Glück gehabt, dass wir ohne Wartezeit einen Platz bekommen haben. In Hannover sieht es da schon sehr viel chaotischer aus, von anderen Großstädten ganz zu schweigen.

Was mich wirklich nervt ist, dass viele Eltern ihre Kinder schon früh mit einem vollen Terminplan überfordern. Sätze wie "Meine Tochter kann nicht mehr zum Schwimmen gehen, weil sie einen Burnout hat" will ich nicht hören. Das Mädchen ist übrigens sechs! Mein Sohn hört oft stundenlang Hörspiele, jagt Monster im Garten und ist rundum zufrieden.

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Über mich, die eigentlich immer müde ist, habe ich gelernt, dass ich für meine Kinder nie gekannte Energien freisetzen kann. Nur drei Stunden geschlafen? Kind seit Tagen mit hohem Fieber? Ich bin hellwach! Und dass ein starker Zusammenhalt in der Familie und gegenseitiger Respekt alles ist.

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Ich steige mit meinem Mann in einen Flieger und düse Richtung Kopenhagen, Barcelona oder eine andere tolle europäische Stadt in ein wunderschönes Hotel mit Sauna und Whirlpool. Wir schlafen lange aus, frühstücken ausgiebig, bummeln ohne bestimmtes Ziel durch die Stadt, trinken einen Kaffee und essen abends in einem tollen Restaurant. Wie ich uns kenne, werden wir schon am ersten Abend unserer Kinder furchtbar vermissen, genießen aber trotzdem unsere kinderfreie Zeit und nehmen und ganz fest vor, mal nicht über die Jungs zu reden. Das ist mein persönlicher Wunschtraum. Wahrscheinlicher ist, dass wir nach Hamburg fahren und es uns dort gut gehen lassen.

Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Hör auf dein Herz! Wenn du dir ein Baby wünschst, ist der Zeitpunkt irgendwann einfach da und Fragen wie "Ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt?", "Was ist mit meinem Job?", "Werde ich eine gute Mutter sein?" treten plötzlich in den Hintergrund. Ich kann natürlich nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Und ich würde ihr sagen, dass sie ein Kind aus den richtigen Gründen bekommen soll. Das hört sich seltsam an, ich weiß. Aber Kinder sind nicht dazu da, eine instabile Beziehung zu flicken, eine Jobflaute oder eine schwierige Lebensphase zu überbrücken. Also: Hör auf dein Herz!

Vielen Dank, liebe Viola!

Hier sind die Fragebögen von JuleKatiIndreIsabelleMailis und Hanna.
Ein schönes Wochenende!







DREIFRAUENTAG







Besuch von Emma. Ein Lieblingstag.

POST VON EMILY


Gestern war ein Brief für mich in der Post, von einer gewissen Emily Rapp aus Santa Fe, ein drei Seiten langer Brief übers Briefeschreiben.

"I´m all about the direct address, which is why I love writing love letters, why I´m writing one, now, in book form, to my son, who is dying. But I think I´ll start writing a love letter every day to someone, just to see what comes back."

Ein Brief einer Frau, von der ich bis gestern nie etwas gehört, gelesen, gewusst hatte, einer Frau, die einen Brief an ihr sterbendes Kind schreibt und die darüber nachdenkt, jeden Tag einen Liebesbrief an jemanden zu schreiben, denn

"yes, maybe letters are the answer". 

Warum das alles? Weil der Mann für mich die "Letters In The Mail" abonniert hat - echte, in Kuverts gesteckte, ordnungsgemäß frankierte, bei einem Postamt in San Francisco aufgegebene Briefe, die von Stephen Elliott verschickt werden, dem Herausgeber des von ihm innig geliebten Online-Literaturmagazins "The Rumpus". Ein Jahr lang werde ich jetzt Briefe von Absendern bekommen, die ich bewundere, Dave Eggers zum Beispiel oder Rick Moody, und von Absendern, die ich nicht kenne, Schriftsteller, Schauspieler, Filmemacher, fast jede Woche einen. Über den Briefen steht ihre Adresse, falls man einen Brief zurückschreiben will.

Natürlich ginge das alles auch im Internet, als Mail, als Newsletter, auf einer Website. Niemand müsste Texte erst ausdrucken, das Papier falten, in Kuverts füllen und dann zur Post gehen. Aber es wäre nicht dasselbe, oder? Man könnte es nicht aufmachen, aus dem Umschlag ziehen, es stünde nicht die eigene Adresse drauf, es gäbe keinen Stempel aus San Francisco, man könnte nicht umblättern und das Papier glatt streichen. Es wäre auch nicht derselbe Text, glaube ich. Wer weiß, dass er einen Brief schreibt, der schreibt einen Brief. Keine Email, keinen Text wie sonst, selbst wenn er nicht weiß, wer ihn erhalten wird. Und wie viele ihn erhalten werden. Vor einigen Monaten stand in der "New York Times", dass "Letters In The Mail" schon 1800 Abonnenten hat, mittlerweile werden noch viele dazu gekommen sein: In San Francisco, das weiß ich jetzt, gibt es jemanden, der fast jede Woche über 1800 Briefe faltet und verschickt, das rührt mich auf eine merkwürdige Weise. (Hier kann man die Briefe abonnieren, es gibt auch eine Kinderedition, die sicher ganz toll ist).

Dann hab ich Emily Rapp gegoogelt. Schriftstellerin ist sie, in Nebraska geboren, durch die ganze Welt gekommen, drei Jahre älter als ich. Sie schreibt schöne, schlaue, unheimlich warme Texte, von denen man einige im Netz lesen kann, zum Beispiel ein Essay darüber, wie sehr einem Frauenfreundschaften helfen können, immer wieder. Dann musste ich schlucken, kämpfen, frösteln, weinen. Ihr Sohn Ronan hat einen schlimmen Gendefekt und wird bald sterben. Sie schreibt darüber. Wie es wohl sein muss, wissen zu müssen, dass das eigene Kind bald sterben wird müssen, wie wird man darüber nicht auf der Stelle verrückt, wie bringt man die Kraft auf, darüber zu schreiben, Liebesbriefe, in die Dunkelheit hinein?

Yes, maybe letters are the answer.

EINE FRAGE (AN EUCH): WOHIN GEHT DIE REISE?


Bevor es nächste Woche mit Marlene weiter geht, stelle ich euch heute noch einmal eine Frage (wie toll waren denn bitte eure Antworten zu meiner Fitness-Frage? Ich bin immer noch völlig hin und weg!): Ich liebe Paris, ich habe ja oft genug darüber geschrieben, ein bisschen überkommt mich aber auch die Neugier auf etwas Neues, noch Unentdecktes. Deshalb wüsste ich heute gerne von euch:

Was ist euer liebstes Reiseziel - welche Stadt, welche Ecke, welches Land hat euch umgehauen, fasziniert, glücklich gemacht? Wohin reist ihr? Tausend Dank für eure Tipps!

Foto: Natalie Pak

UND WIE MACHST DU DAS, HANNA?




Name: Hanna Lisa Schäublin
Alter: 29
Mutter von: Till (10 Monate)
Stadt: Domat/Ems, Schweiz
Beruf: Architektin

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Wir sind da noch im Probierstadium, aber es läuft sich ganz gut an. Seit einem knappen Monat ist Till ein bis zwei Mal pro Woche für ca. drei Stunden bei einer ganz tollen befreundeten Familie. Sie haben eine 2-jährige Tochter und arbeiten beide freischaffend von zu Hause aus und zeitlich flexibel, d.h. sie machen Nachmittagsausflüge zu viert. Einmal pro Woche kommt meine Schwiegermutter mit Partner für einen langen Spaziergang. Insgesamt habe ich also drei Nachmittage à 3 Stunden zum Arbeiten - den Rest versuche ich während der Vormittags- und Mittagsschläfchen oder am Abend zu erledigen. Meine Eltern wohnen 500 Kilometer entfernt in Deutschland, weshalb sie für eine regelmäßige Betreuung leider nicht in Frage kommen.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Bevor Till auf die Welt kam, habe ich vier Jahre als Architektin gearbeitet - mehr als Vollzeit, wie branchenüblich. Da es in der Schweiz aber nur 14 Wochen Mutterschutz gibt und mir klar war, dass ein Wiedereinstieg nach so kurzer Zeit für mich nicht in Frage kommt, habe ich meine Stelle gekündigt. Ein Teilzeitjob in führender Postion mit Bauleitung ist fast unmöglich zu realisieren, bzw. findet man kaum den passenden Arbeitgeber dazu. Deshalb kam es mir ganz gelegen, dass meinem Mann und mir das Angebot gemacht wurde, eine kleine, renommierte Schreinerei in einem benachbarten Ort zu übernehmen. Das bedeutet für uns im Moment zwar viel dazulernen und Zeit investieren, die uns für die kleine Familie fehlt - andererseits ermöglicht es mir, von zu Hause aus zu arbeiten, meinen Tag selber einteilen zu können und Till somit viel selber betreuen und genießen zu können. Zur Zeit befinde ich mich allerdings noch schwer in der Findungsphase - irgendwo zwischen noch fast Vollzeitmami, Sekretärin, Geschäftsleitung, Möbeldesign, PR und ganz viel administrativem Bürokram, den eine Firmengründung so mit sich bringt.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Hmmm, normal? Meistens wechselt Tills Rhythmus genau, wenn ich mich gerade darauf eingestellt habe und ihn als "normal" bezeichne. Seit kurzem schläft Till häufig durch, dafür wird er zwischen fünf, halbsechs wach und hat Hunger. Dann steht er mit seinem Papa auf und sie genießen ein Stündchen für sich mit "Herrenfrühstück" und Quatsch machen - ich breite mich in der Zeit nochmal genüsslich diagonal im Bett aus. Wenn mein Mann um halbsieben los muss, bringt er mir Till wieder ins Bett. Oft kuschelt er sich dann an mich und wir können noch ein Stündchen schlafen. Dann anziehen und gemeinsames Frühstück, anschließend spielen wir ein bis zwei Stunden, räumen auf, machen Wäsche und gehen dann einkaufen. Danach schläft Till meist wieder kurz und ich nutze die Zeit um Geschäftskorrespondenz zu erledigen. Anschließend wird gekocht und gegessen - schön, dass wir zu dritt essen können, auch wenn sich die Mittagspause auf 45 Minuten beschränkt. Danach wieder intensiv spielen, lesen, singen, gemeinsames Mittagsschläfchen - langer Mensch eher kurz, kurzer Mensch möglichst lang, damit Mama was erledigen kann. Dann unbedingt raus: spazieren gehen oder Freunde besuchen, eine Stunde Gespräch mit Erwachsenen (zumindest nebenbei) muss schon sein, sonst bekomme ich eine akute Heim- und Kinderliedkrise. Gegen halbsieben kommt der fleißige Mann nach Hause, gemeinsames Abendessen, baden, spielen, Kind ins Bett bringen. Dann wird wieder gearbeitet: Offerten erstellen, Wochenpläne machen, Arbeitsvorbereitungen... Parallel beseitige ich dann noch das Tageschaos. Ab und zu ein Tatort und ansonsten fallen wir meist gegen zehn ins Bett. Das klingt gerade irgendwie viel entspannter als es sich öfter mal anfühlt. Da gibt es natürlich auch die Zahnweh- und Krankheitstage, Tage an denen zu wenig geschlafen wird und Mama und Kind schlechte Laune haben. Am anstrengendsten sind die Tage, an denen man sich zu viel vornimmt, dann klappt meist gar nichts und man kann nur hoffen, dass der Mann nicht allzu spät und möglichst gut gelaunt nach Hause kommt.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Im Moment eher wenig. Wir versuchen beide, ein bis zwei Mal pro Woche Sport zu machen. Ich spiele Basketball und das Tolle am Mannschaftssport ist, dass man eine super Ablenkung vom Alltag hat und liebe Menschen und auch andere Mamis trifft, bei denen man mal den Frust ablassen kann. Da wir vor drei Jahren ein altes Haus gekauft und entkernt haben, sind wir an den Wochenenden mit Umbau - und Gartenarbeiten beschäftigt. Der Hauptteil ist zwar inzwischen wirklich gut bewohntbar, aber es fehlen noch hier und da ein paar Einbaumöbel und im Erdgeschoss bauen wir noch ein Büro aus - allerdings zähle ich die Arbeit am Haus schon zu Freizeitbeschäftigung. Wieder mal ein Buch zu lesen, wäre ein Traum!

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
So wirklich konkrete Vorstellungen habe ich mir nicht gemacht, aber emotional stimmt es für mich völlig. Es fühlt sich so gut an, die Sinnfrage ist - zumindest für den Moment - geklärt. Das kleine Wesen füllt einen innerlich und äußerlich total aus, es sorgt gleichzeitig für äußere Beschäftigung und innere Ruhe. Irgendwie hat es der kleine Mann geschafft, die Hierarchie der Dinge völlig zu relativieren und am Schluss vom Tag ist nur noch wichtig, dass wir gesund und glücklich nebeneinander einschlafen. Was ich mir anders vorgestellt habe? Wenn ich ganz ehrlich bin, hab ich es mir etwas entspannter vorgestellt...

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Till beschäftigt sich zur Zeit maximal fünf Minuten am Stück mit sich selber, d.h. für mich ziemlich viel aktiv spielen und zwar abwechslungsreich bitteschön, sonst kommt Langeweile auf. Es gibt Tage, da fällt einem einfach nichts Neues mehr ein, man ist müde, hat Kopfweh, hätte gerne eine halbe Stunde für sich. Genau in diesen Momenten sind Kinder dann echt gnadenlos. Außerdem echt anstrengend: zu müde zum Schlafen und zu hungrig zum Essen.

Was macht dich besonders glücklich?
Gerade im jetzigen Alter finde ich es wahnsinnig schön, wie Till aktiv meine Nähe sucht. Er robbt mir hinterher, streckt mir seine Arme entgegen, kuschelt sich vor dem Einschlafen an mich, drückt sein kleines Gesicht an meines und lacht wirklich jedes Mal, wenn er mich sieht (auch nach dem gefühlten 99sten mal "Kukuuuuuuus!").

Welches Verhältnis hast du zum Vater deines Kindes? Wie hat das Kind dieses Verhältnis verändert?
Wir sind inzwischen seit knapp fünfeinhalb Jahren zusammen, seit letztem Jahr verheiratet. Ich empfinde uns als tolles Team. Gemeinsam haben wir unser Haus gekauft und umgebaut, die Schreinerei übernommen, eine komplikationsreiche Schwangerschaft überstanden, unsere kleine Familie gegründet. Wir ergänzen uns nahezu ideal, er gibt mir Ruhe, ich ihm Kraft - oder auch mal umgekehrt. Seit der Geburt unseres Sohnes ist die Paarzeit auf ein Minimum geschrumpft, aber da wir wissen, dass da irgendwo in der Zukunft auch wieder Zeit zu zweit wartet, genießen wir jetzt erstmal die Familienzeit und die wenigen wachen Minuten am Abend, wenn der kleine Mensch schon schlummert und die großen Menschen fast wach sind.

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Schwierige Frage. Hier in der Schweiz leben wir in einem der am wenigsten weit entwickelten Industrieländer, was Familienunterstützung angeht. Wir haben nur 14 Wochen bezahlten Mutterschutz und keinen Erziehungsurlaub. Väter bekommen bei der Geburt zwei Tage frei. Der Kindergarten beginnt erst mit fünf Jahren, vorher gibt es zwar Spielgruppen, aber die haben sehr eingeschränkte Öffnungszeiten (zumindest in den ländlichen Regionen) und sind relativ teuer. Das finde ich schon sehr heftig. Klar, wir haben entsprechend weniger Sozialabgaben zu zahlen, man kann sich eventuell selber unbezahlten Urlaub ansparen oder kündigen, aber das klappt dann doch nur bei den etwas besser Verdienenden. Die Vorstellung, dass Mütter ihre 14 Wochen alten Säuglinge fremd betreuen lassen müssen, weil sie es sich nicht leisten können, zu Hause zu bleiben, finde ich grausam und gegen jeden Mutterinstinkt. Ich finde, es sollte - wie auch immer - für jedes Elternpaar die Möglichkeit bestehen, dass sie ihr Kind/ ihre Kinder 100% selber erziehen können, wenn sie das wollen. Andererseits sollte für jeden, der gerne arbeiten möchte, zahlbare Betreuungsmöglichkeiten bestehen. Meiner Meinung nach können Eltern nur dann gute Eltern sein, wenn sie ausgeglichen sind, wenn sie "freiwillig" arbeiten/ Kinder betreuen, ihre Balance gefunden haben zwischen "Hausfrau/-mann" und "Working Mum/ Dad" und nicht, weil es finanziell nicht anders funktioniert. Es müsste doch möglich sein, dass eine Familie mit einem vollem Gehalt auskommt, wie auch immer sich die Partner das dann aufteilen. Im Fall des Alleinerziehenden würde entsprechend gelten WILL der Alleinerziehende gerne arbeiten, sollte das durch gute und zahlbare Betreuungsmöglichkeiten funktionieren. Möchte er/sie zu Hause beim Kind bleiben, sollte das ebenfalls möglich sein und zwar ohne deshalb finanziell völlig eingeschränkt zu sein.

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Ich habe gelernt, dass sich die Welt nicht um mich dreht, sondern um Till! Nein, im Ernst: Ab und zu ist es glaube ich gesund, wenn sich der Horizont etwas einschränkt, wenn der Familienkosmos einen so beansprucht, dass man den Rest des Alls völlig aus den Augen verliert. Vor meiner jetzigen Partner-, Schwanger- und Mutterschaft hab ich mich oft rastlos gefühlt, immer auf der Suche nach DEM Weg, DEM Ziel, DER Erkenntnis. Klar hab ich diese endlosen Diskussionen mit mir selbst oder anderen auch genossen und werde sie wohl wieder genießen, aber im Moment tut es gut, angekommen zu sein. Die Probleme der Welt lasse ich eine Zeit lang andere lösen, weil ich jetzt füttern, wickeln und spielen muss. Irgendwie findet man vielleicht erst zu sich selbst, wenn man keine Zeit mehr zum Suchen hat?

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Ich packe meinen Rucksack und ziehe mich an einen unserer wunderschönen Bergseen zurück. Lesen, dösen, Grashalme zählen, ich lasse mich im Bergrestaurant verwöhnen und esse OHNE aufzustehen. Abends zwei gute Gläser Rotwein und ein Grappa, noch 5 Seiten im Buch und dann schlafen, schlafen, schlafen... Am nächsten Tag fahre ich mit dem Zug nach Zürich, treffe Freunde, Shopping, "käffele" und abends lasse ich mich mal wieder durch die heimischen Clubs und Kneipen im Chur treiben: sorglos und mit dieser leichten Euphorie, die man an lauwarmen Sommerabenden mit ein, zwei Gläschen zu viel so fühlt, ohne Uhr und ohne Handy.

Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Sie soll auf ihr Herz hören! Wenn das längerfristig und eindeutig "JA" sagt, dann los! Der Kopf findet wohl immer "vernünftige" Gründe, warum es nicht der richtige Zeitpunkt sein könnte: man ist beruflich noch nicht auf dem Stand, finanzielle Sorgen, man hat noch nicht jeden Winkel der Welt gesehen, man fühlt sich noch nicht erwachsen genug. Bei mir war es ein kontinuierlich wachsenden Bedürfnis und nicht ein Gefühl wie "JETZT bin ich erwachsen genug und bereit für ein Kind". Eher umgekehrt, da war mein Bauch, dann mein Kind und plötzlich bin ich hin und wieder erwachsen. Kinder brauchen vor allem eines: die Liebe ihrer Eltern, alles andere bekommt man dann schon in den Griff.

Vielen Dank, liebe Hanna!
Hier sind die Fragebögen von JuleKatiIndreIsabelle und Mailis.

Falls ihr auch gerne diesen Fragebogen beantworten würdet oder jemanden kennt, der ihn beantworten sollte (sehr gerne auch aus dem Ausland), schreibt mir doch eine Email an: postanslomo(at)googlemail(dot)com.
Ein schönes, entspanntes Wochenende! Und danke für eure Kommentare diese Woche, ich hab mich so über jeden gefreut!

21 MONATE



Liebe Fanny,

ich weiß nicht, wie alt Du bist, wenn Du diesen Brief liest. Vielleicht gebe ich ihn Dir, zusammen mit all den anderen Briefen, an Deinem 18. Geburtstag. Vielleicht gebe ich sie Dir auch, wenn Du von Zuhause ausziehst. (Ausziehst? Ich mag gar nicht daran denken, auch wenn das vermutlich noch 16, 17 Jahre dauert. Was ist das nur mit der ewigen Sentimentalität? Hab ich nicht neulich noch mit den Augen gerollt, als meine Mutter mich gefragt hat, ob ich kurz anrufen kann, wenn wir gut angekommen sind, eine SMS schreiben kann, nur, damit sie weiß, dass alles gut ist? Ach, Fanny, Du wirst noch oft die Augen rollen über Deine Mama). Jetzt sitzt Du vielleicht da und trinkst einen Kaffee oder ein Bier und fragst Dich, wie es war, dieses kleine Mädchen von 21 Monaten.

Unglaublich schön ist es, mein Fännchen. Und ich meine nicht mal Deine blauen Augen und diesen unfassbaren kleinen Mund, der aussieht, als hätte man ihn mit einem Pinsel gemalt und nicht Deinen großen, absolut hinreißenden Fannyfüße. Ganz egal, ob Du gute Laune hast oder schlechte, ob Du müde bist oder auf Deiner Matratze stehst und hüpfst und Deinen Fannytanz tanzt - da ist irgendetwas in Dir, das leuchtet. Wie soll ich es beschreiben? Da ist so gar nichts Taktisches in dem, was Du tust, Fanny, Du bist einfach nur Du, glücklich, aufgeregt, überdreht, hungrig, müde, total drüber - aber immer auf eine Art heile, die einem beim Zusehen fast weh tut. Ich weiß, dass das Leben schon irgendwann kommen wird mit all seinen Anstrengungen und Notwendigkeiten und Schmerzen, trotzdem glaube ich, nein, ich weiß, dass Du dieses Leuchten behalten wirst, es ist einfach in Dir. Man fühlt sich leichter in Deiner Gegenwart, ein bisschen heller und sehr ganz, Fanny. Oder: Anny, wie Du gerade immer sagst, das F hast Du noch nicht gefunden. Stark bist Du auch, sehr stark sogar. Du bestehst auf die Dinge, die Du willst (Gurke! Rutschen! Bär!) und auf die Dinge, die Du nicht willst (nicht schlafen, nicht baden, nicht die Schuhe anziehen, nicht im Kinderwagen sitzen, neinneinNEIN, Anny RUNTER!). Du kannst, und das hast Du ganz sicher nicht von mir, sagenhaft gut rumlümmeln. Auf dem Sofa liegen, ein Buch lesen, mit Deinem Papa eine Folge "Trotro" gucken, ein Haus bauen, den ganzen Nachmittag lang. Und Du bist unheimlich zärtlich. Gestern, als Du nicht schlafen wolltest, hast Du mich ins Bett gebracht. Du hast Mama, Bett gesagt, ich musste meinen Kopf aufs Kopfkissen legen, dann hast Du mich zugedeckt und mir einen Kuss gegeben und noch einen, Du hast Dich neben mich gelegt und meinen Arm gestreichelt und psssssst gesagt. Du bist ein Herdentier, Du bist glücklich, wenn Du bei allem dabei bist, was wir machen - wenn Du beim Einkaufen im Einkaufswagen sitzt und unsere Einkäufe hinter Dich wirfst, wenn Du beim Obsthändler die Äpfel aussuchst, den Kuchenteig umrührst. Ein Quatschmacher bist Du auch. Manchmal wirfst Du Dich beim Hopsen auf dem Sofa nach hinten, lässt Dich fallen und sagst Au-au, dann lachst Du, viel tiefer, als man es von einem kleinen Mädchen erwarten würde, und springst auf, wenn wir kommen, um ganz doll zu pusten. Manchmal versteckst Du Dich im Schrank, Du machst die Tür zu und tust, als würdest Du schlafen, bis Du es nicht mehr aushältst und Anny, PIEP sagst, dann muss ich die Tür aufmachen und vor Überraschung ganz laut schreien und Du hörst erst wieder auf zu lachen, wenn Du Dich noch einmal verstecken willst und ich weggehen muss, um Dich noch einmal zu finden. (Wann hört es eigentlich auf mit dem Quatschmachen, Fanny, wann verlernt man es, einen so unbändigen Spaß zu haben? Wann hört man auf, in der Küche zu tanzen, und laut zu singen und sich in den großen Zeh zu beißen? Wie ich es liebe, mit Dir zu tanzen, meistens zu Marvin Gaye, Move On Up ist gerade Dein Lieblingslied, und wehe, ich mache nach der Hälfte schlapp).

Das schönste Andenken, das ich aus unserem Paris-Urlaub mit nach Hause nehme: die Erinnerung an unsere kleine Party. Wir hatten etwas zu feiern, deshalb sind wir essen gegangen. Du hast Deinen eigenen Stuhl bekommen, keinen Hochstuhl, sondern einen ganz normalen (und wie stolz Du warst, Mama Stuhl, Papa Stuhl, Anny Stuhl!), und einen eigenen Teller und eine eigene Ketchupflasche für Deine Pommes, die Kellnerin war ein bisschen verliebt in Dich. Zwischendurch sind wir die Straße rauf und wieder herunter gerannt, Du hast mich gejagt und ich Dich, und wir haben auf dem Automaten für die Leihfahrräder alle Tasten gedrückt und Piep gesagt, dann haben wir Orangina getrunken und Prost gesagt (vielleicht Dein liebstes Wort gerade), draußen war es schon lange dunkel und Du hellwach. Bevor Du in meinem Arm eingeschlafen bist, hast Du mir noch Deinen Tag erzählt, von Deinem Stuhl und Deinem Teller, von den Pommes und von Dingen, deren Bedeutung nur Du kennst. Als Du eingeschlafen bist, habe ich noch eine ganze Weile im Dunkeln neben Dir gelegen, vorm Fenster Paris und die Nacht und Du neben mir, schlafend, leise schnarchend, schon so groß, dass Deine Füße im Liegen an meine Knie kommen.

Kannst Du es Dir vorstellen, das kleine, große Mädchen von 21 Monaten? Stoß auf dieses Mädchen an, Fanny, und sag Prost. Und dann ruf mich an, egal, wie spät es ist, und sag mir, dass alles gut ist. Oder tanz zu Marvin Gaye.

Es küsst Dich,
Deine Mama



KIRSTENS FÜNF: STÄDTEREISEN

Ich habe Urlaub. Sogar richtig lange. Nach einem arbeitsreichen bisherigen Jahr heiß ersehnt. Ich merke, dass Menschen, die mich nach meinem Reiseziel fragen, große Erwartungen haben. Vermutlich würden Antworten wie "Och, ich wollte schon immer mal ein paar polynesische Inseln erkunden", oder "Ich tausche mit einem Architekten aus Japan für ein paar Wochen die Wohnung. Der interessiert sich für die 50er-Jahre-Bebauung in Köln und, naja, Tokyo stand ja schon lange auf meiner Liste", diese Erwartungen befriedigen. Die Wahrheit ist: Ich bin im Moment zu müde. Zu müde, einen neuen Ort kennenzulernen. Ich hab das tiefe Bedürfnis, einfach zuhause zu bleiben. Nachmittags im Café sitzen und lesen. Mal in ein Museum gehen oder mir ein Bauwerk von innen anschauen, an dem ich sonst immer nur vorbeilaufe. Freunde treffen und solche Verabredungen nicht nur um den Arbeitsalltag drumrum organisieren. Zweimal hintereinander am gleichen Tag ins Kino gehen. Auf dem Sofa rumlümmeln und endlich die zweite Staffel "Downton Abbey" schauen, tagsüber, stundenlang. Dann mal raus auf den Balkon, für eine Kuchenlänge. Und wieder rein und weitergucken. Oder einfach nur laut und lange Musik hören. Zum Fernreisen reichen mir diesen Sommer ein paar Filme und Bücher. Hier meine fünf liebsten:

Bei jedem Film von WES ANDERSON bin ich gespannt, wo die Reise diesmal hingeht. In ein Pfadfinderlager. Unter die Meeresoberfläche. Per Zug durch Indien. Vor allem: In die Anderson-Version dieser Orte, denn es sind schrullige, bunte, sorgfältig komponierte Fantasiegebilde. Und so liebe ich es, mit Anderson und seinen "Royal Tennenbaums" in ein New York zu reisen, wie ich es in der Realität nicht erleben könnte. Ich bin gerührt von dieser dort wohnenden, schrecklich beknackten Familie, die trotz aller Egomacken nicht ohne einander kann. Ich liebe, wie ein knurriger Gene Hackman heimlich seinen Enkeln beibringt, was Spaß ist. Wie Bill Murray sich wie ein melancholischer bärtiger Maulwurf vergeblich um seine junge Frau Margot bemüht. Wie eine kajaltriefende Gwyneth Paltrow stoisch ihre Zigaretten raucht. Wie ein hüftsteifer Danny Glover Angelica Huston ungelenk einen Heiratsantrag macht. Und das Tenenbaum-Haus, in dem sich alle immer wieder begegnen, irgendwo in New York.

Ich höre selten Popmusik im klassischen Sinne. Ich bezeichne neongelbe Radlerhosen mit Fransen und Blumenshirts mit Monsterschulterpolstern für gewöhnlich nicht als sexy. Und dann kommt SANTIGOLD. Zeigt, dass frau in Popsongs nicht nur über Liebe, Jungs und Herzschmerz singen muss. Dass sie musikalisch alles mixen kann, worauf sie Bock hat. Dass knallbunte Videos in 90er-Ästhetik immer noch cool sind und mich ein bisschen selig an viel vor MTV vertrödelte Provinzjugend erinnern. "So machen wir das in Brooklyn", sagt sie auf der Bühne, freut sich über die jubelnde Menge und lacht. Vor allem macht sie ihr eigenes Ding. Was ne coole Sau. Ich kann einen Konzertbesuch nur empfehlen. Oder das laute Hören ihrer Songs beim nächtlichen Fahren durch die Stadt.

Eine Querflöte zirpt, das Schlagzeug wird sanft angeschlagen, die Gitarre dazu, Streicher und Bläser setzen ein und ein Mann tanzt mit seiner Stimme darüber. Das ist nicht Brooklyn, das ist London. Und das Gegenteil von modern. Bluesig, soulig, eine Zeitreise in die 60er Jahre, an denen MICHAEL KIWANUKA offensichtlich Lust hat. Meiner Fußballunlust verdanke ich, über diesen Sänger gestolpert zu sein. Arte statt EM. Zum Glück. Im Herbst will ich ihn unbedingt auf der Bühne sehen.

Das Arte-Programm hat mich mit seinem "Britishness"-Themenschwerpunkt auch durch den Rest der EM gerettet. Von London aus bin ich aufs Land weitergereist und einmal die Woche in JANE AUSTENS Welten abgetaucht. Wunderbar, wenn Dialoge immer erstmal mit einer Frage eröffnet werden, ob es denn auch den Eltern und Geschwistern gesundheitlich gut gehe. Immer wieder schön: Die BBC-Verfilmung von "Pride and Prejudice". Die mit Colin Firth als Mr. Darcy und der berühmten Teich-Szene, bei der die Zuschauerin unwiderruflich den gleichen entrückten Gesichtsausdruck bekommt wie Elizabeth Bennet. Colin Firth wird wohl trotz Oscargewinn für immer der Mann bleiben, der selbst in teichfeuchtem Zustand seine Elizabeth erstmal fragt, ob denn auch ihre Eltern wohlauf seien.

Mit JULIE DELPY macht mir Städtereisen besonders Spaß. Ich staune über ihr wunderschönes Gesicht, als sie in "Drei Farben: Weiß" mit ihrem polnischen Ehemann hadert und am Ende in Warschau strandet. Wie unfassbar jung sie da war und ebenso in "Before Sunrise", als sie mit Ethan Hawke durch Wien läuft. Wie sie ihm Jahre später in Paris wieder begegnet (ob es jemals einen dritten Teil dieser Filmreihe geben wird? Und in welcher Stadt treffen sich Julie und Ethan dann?). Wie sie und ihre Familie ihren amerikanischen Freund in Paris und in New York an den Rand des Nervenzusammenbruchs führen. Woody Allen verschlägt es in seinem nächsten Film nach Rom (und endlich spielt er auch selbst wieder mit), aber sollte er irgendwann keine Filme mehr machen, hab ich das beruhigende Gefühl, dass mit Madame Delpy eine würdige Nachfolgerin im Schaffen großartiger neurotischer Filmcharaktere schon bereit steht.

Und ihr? Wenn Geldbeutel, Wetter, Terminkalender oder andere das Reisen verhindern, welcher Film oder welche Musik hilft als Ersatz?

Kirsten

EINE FRAGE (AN EUCH): WIE WERDE ICH WIEDER FIT?



Weil Marlene gerade Urlaub macht, hab ich diesen Montag mal eine Frage an euch: Ich würde wieder gerne mehr Sport machen. Wobei mehr Sport eine schamlose Übertreibung ist. Ich würde gerne überhaupt mal wieder Sport machen, konsequent und regelmäßig, meine Kondition ist gerade echt beschämend, die Pariser Aprikosentartes haben auch ihre Spuren hinterlassen. Irre viel Zeit dafür bleibt nicht, aber eine halbe Stunde am Tag sollte drin sein. Jetzt wüsste ich gerne: Habt ihr vielleicht irgendwelche Tipps für mich, ein Programm, eine DVD oder was auch immer euch einfällt? Ich bin ja eher der zu Hause-Sportmacher... Dankedanke!

Illustration: Gemma Correll.

UND WIE MACHST DU DAS, MAILIS?




Name: Mailis Klaus
Alter: 34
Mutter von: Elias (19 Monate)
Stadt: Wien
Beruf: Wirtschaftsprüfung

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Elias wird seit seinem achten Lebensmonat fremdbetreut, da ich recht früh wieder in die Berufstätigkeit zurückkehren wollte. Anfangs war er von 8 bis 12 Uhr in der Krabbelstube. Ich habe die Betreuungszeit aber relativ schnell bis auf 15 Uhr ausgedehnt, als er dort auch problemlos ein Nachmittagsschläfchen hielt. Damit konnte ich nicht rechnen, da er zu Hause ohne "Einschlafhilfe" von mir meist nicht auskam. Häufig musste ich ihn dazu mindestens eine halbe Stunde durch die Wohnung tragen. Mit der Betreuung bin ich sehr zufrieden. Natürlich hatte er auch Phasen, in denen er bei der Übergabe geklammert hat. Aber er ließ sich von den Erzieherinnen ablenken und beruhigte sich schnell. Abgeholt habe ich immer ein rundum zufriedenes Kind. Bedenken hatte ich nur deswegen, dass die private Krabbelstube zweisprachig (deutsch-französisch) geführt wird. Da Elias zu Hause bereits zweisprachig aufwächst, befürchtete ich eine zu arge Sprachverwirrung. Ab sofort erledigt sich dieser Fall aber ohnehin von selbst, denn der Kindergarten, den er nun ab September besuchen wird, wird auf Deutsch geführt. Ich habe einen Wechsel auch deswegen angestrebt, da ich wieder Vollzeit arbeiten möchte, die bisher genutzte Krabbelstube aber nur von 8 bis 15 Uhr geöffnet ist.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Ich arbeite in einer internationalen Wirtschaftsprüfungskanzlei, seit Oktober 2011 auf Teilzeitbasis (25 Stunden/Woche), ab September 2012 wieder Vollzeit (in der busy season von Oktober bis März durchschnittlich 60 Stunden/Woche). Ich habe mich um eine schnelle Rückkehr in die Vollzeitarbeit vor allem deswegen bemüht, da man als Teilzeitmitarbeiterin häufig nur eine zuarbeitende Funktion ausübt und keine Projektleitung erhält, wie ich sie vor Elias´ Geburt gewöhnt war. Die grundsätzliche Möglichkeit, meine Arbeit vom Home-Office aus zu erledigen, kommt meiner Rolle als berufstätige Mutter sehr entgegen, da sie meine Flexibilität gegenüber einem reinen Büro-Job erhöht. Mit dieser Lösung bin ich sehr zufrieden.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Ich stehe werktags um 6:30 Uhr auf, in der Regel eine Stunde bevor mein Sohn erwacht. Nach einer Dusche, einer Tasse Kaffee und dem schnellen Durchblättern der Tageszeitung bleibt ca. eine halbe Stunde für meinen Sohn: anziehen, ein paar Streicheleinheiten. Für viel Herumspielen bleibt allerdings keine Zeit. Um 8 Uhr ziehen wir los. Zur Krabbelstube sind es nur fünf Minuten zu Fuß. Dort wird gefrühstückt. Ich nehme mir eine Kleinigkeit auf den weiteren Fußweg von etwa 10 Minuten ins Büro mit. Dass ich praktisch in der Innenstadt wohne und sowohl die Krabbelstube als auch das Büro sich nur ein paar Gehminuten von meiner Wohnung entfernt befinden, schätze ich wirklich sehr. Gegen 15 Uhr hole ich Elias wieder ab. Dann geht es auf den Spielplatz, wo wir uns auch mit anderen Müttern und ihren Kindern treffen. Später erledigen wir bei Bedarf gemeinsam Einkäufe. Abends spiele ich mit ihm ausgiebig (Bilderbücher anschauen, singen, malen, Bauklötzchen arrangieren und wieder umwerfen), bevor er gegen 20 Uhr ins Bett gebracht wird. Häufig setze ich mich dann noch an den PC, um zu arbeiten. Vielleicht ist das nicht immer dringend nötig, ich möchte aber auf diese Weise am kommenden Tag Stress vermeiden.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Da der Vater meines Kindes während der Woche in Prag arbeitet und wir eine Wochenendbeziehung führen, bin ich während der Woche praktisch alleinerziehend. Die eine Stunde am Morgen und die paar Stunden am Abend, die ich für mich habe, reichen mir im Prinzip. Allerdings ist das zu wenig Zeit, um darüber hinaus genügend Freundschaften zu pflegen. Auch meine kulturellen Bedürfnisse (Kino, Theater, Konzerte, Bücherlesen, Reisen) kommen seit der Geburt meines Sohnes eindeutig zu kurz. Dies hole ich im Sommer kräftig nach, da ich von Mitte Juni bis Anfang September nicht arbeite. In dieser Zeit muss ich unbedingt raus aus der Stadt und meinem recht stressigen Alltag, um wieder Energie zu tanken. Elias bleibt dann auch ab und zu eine Woche bei den Großeltern oder in der Familie meines Bruders.

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Generell war ich darauf gefasst, dass Muttersein zunächst ein erhebliches Quantum an Selbstlosigkeit bedeuten würde. Dennoch muss ich zugeben, dass ich anfangs doch etwas mit der andauernden Fremdbestimmung durch die Bedürfnisse eines Säuglings zu kämpfen hatte. Ich war von der (zugegeben wohl etwas naiven) Vorstellung ausgegangen, das erste Halbjahr gemütlich neben dem schlafenden, das zweite Halbjahr dann neben dem spielenden Kind genießen zu können. Stattdessen erwies sich mein Sohn als ein ziemlich schlechter Schläfer, und auf dem Spielplatz sowie in der Wohnung als immer die Gefahr suchendes Objekt steter Beobachtungsnotwendigkeit. Meine Vorstellung, dass sich gerade das erste Lebensjahr des Kindes als sehr abwechslungsreich erweisen würde, hat sich für mich nicht wirklich bewahrheitet: Ich fand diese Zeit recht eintönig, bestimmt durch immer die gleichen Handlungen. Inzwischen hat sich das natürlich stark geändert: Elias´ zweites Lebensjahr finde ich spannend und wunderschön!

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Von meinem Idealbild einer Familie - Mutter, Vater und Kind(er) haben gemeinsam an einem Ort zu wohnen und glücklich zu sein - musste ich mich aufgrund der beruflichen Situation von Elias´Vater leider verabschieden. Dies ist für mich ein schwieriger Lern- und Anpassungsprozess, mit dem ich mental noch zu kämpfen habe.

Was macht dich besonders glücklich?
Das Kind selbst. Gerade jetzt im Sommer das unbeschwerte Zusammensein mit ihm auf dem Lande, einfach in den Tag, in die Wochen hineinleben ohne Termindruck und Hetze. Nach einem langen Frühstück zum See schlendern, vorbei an Hunden, Katzen und Pferden, machen, worauf man Lust hat, und solange es mit einem Kleinkind eben dauert. Schwimmen, beim Dorfladen Eis essen, dort sitzen bleiben und mit größeren Kindern plaudern. Häufig gehen wir am Vormittag in den benachbarten Kindergarten mit einem Spielplatz wie aus Kinderträumen. Wo in der Stadt wäre es möglich, mit einem fremden Kind einfach zum Spielen vorbeizukommen? Undenkbar! Auf dem Lande herrscht ein anderes Atmen, die Kinder laufen da häufig einfach mit und werden wie nebenbei groß. Für diesen Sommer schufte ich im Herbst und Winter, dies ist meine ganz persönliche Balance zwischen Alltag und Muße.

Welches Verhältnis hast du zum Vater deines Kindes? Wie hat das Kind dieses Verhältnis verändert?
Die Entscheidung über die Zeit für ein Kind habe ich alleine getroffen. Natürlich haben wir darüber gesprochen, nur war der Zeitpunkt in seinen Augen nicht richtig. Wahrscheinlich hatte er damit sogar recht, da er in der Endphase seiner Doktorarbeit steckte. Aber ich ging nicht davon aus, dass ich sofort schwanger werden würde. Am Anfang war es für Elias´ Vater schwer zu akzeptieren, dass nun unser Kind für mich die absolute Nummer eins wurde und er ins zweite Glied zurücktreten musste, zumal ich in seinen Augen seit acht Jahren weiterhin die wichtigste Person in seinem Leben geblieben bin. Für mich wiederum war eben gerade der Umstand gewöhnungsbedürftig zu sehen, dass unser Sohn bei ihm nicht meine Position eingenommen hat.

Da wir aktuell eine Wochenendbeziehung führen (und sich dieser Umstand in absehbarer Zukunft nicht ändern wird), befindet sich die Paarbeziehung im Stand-by-Modus. Zeit für die Zweisamkeit ist da schon viel gewollt. Wir müssen daran arbeiten, dass wir uns dadurch nicht auseinanderleben. Man stellt ja an so ein gemeinsames Wochenende jede Menge Forderungen. Ich möchte mich von der anstrengenden Woche erholen, muss uns aber dann doch durch die Tage dirigieren, weil mein Freund häufig einfach nicht weiß, wie und wann Elias und ich in Wien was zu machen gewohnt sind. Hier muss ich noch lernen, lockerer zu werden und mir einzugestehen, dass der Papa zwar vieles anders macht, aber dass es auch gut und okay ist, wie er das macht.

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Ich kann mich nicht beklagen: Mein Arbeitgeber hat sich meiner Schwangerschaft gegenüber als großzügig erwiesen und klar gemacht, dass ich nach der Geburt jederzeit willkommen bin. Auch das in Österreich eingeführte einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld hat mir erlaubt, die Karenzzeit ohne finanzielle Nöte zu verbringen. Hinzu kommt, dass Wien sehr kinderfreundlich ist: Es gibt saubere Spielplätze, weitgehend barrierefreie Zugänge zu öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln, Restaurants sind auf Kinder eingestellt. Angesichts ganz anderer Erfahrungen in (ostmittel-) europäischen Nachbarländern muss ich sagen, dass ich wirklich zufrieden bin. Ich möchte allerdings anmerken, dass werdende Mütter bereits früh mehr Eigeninitiative zeigen, nicht die Hände in den Schoß legen und nicht nur mit der Hilfe staatlicher Institutionen rechnen sollten. Ich habe mir die Betreuungsplätze für mein Kind bereits in den ersten Schwangerschaftsmonaten bei zwei verschiedenen Betreuungseinrichtungen gesichert - in der einen für die Zeit ab seinem achten, in der anderen ab seinem 18. Lebensmonat. Zum einen wollte ich so früh wie möglich wieder in die Berufstätigkeit zurückkehren, zum anderen war ich mir nicht sicher, ob Elias bereits zu einem so frühen Zeitpunkt die vormittägliche Trennung von mir verkraftet. Im negativen Fall hätte ich den Krabbelstubenplatz wieder storniert und wäre bis zu seinem 18. Monat zu Hause geblieben, um ihn erst dann in den Kindergarten zu schicken. Um die Karrierechancen von Müttern zu verbessern, bin ich dafür, dass die Papamonate im Regelfall Pflicht sein sollten. Warum sollte man nicht ein Jahr Karenzzeit für Mütter und dann ein halbes Jahr für Väter einführen?

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
In den zehn Jahren vor Elias´ Geburt habe ich häufig meinen Wohnort gewechselt und in insgesamt fünf Ländern gelebt. Das hat sich beruflich und privat so ergeben und damals dachte ich, das könnte so weitergehen. Seit der Geburt von Elias ist bei mir die Sehnsucht nach dem Ort meiner Kindheit, Estland, viel stärker geworden. Ich merke, wie schwer es mir fällt, in einer Gesellschaft zu leben, in der ich keine Wurzeln habe - es ist ein Gefühl vergleichbar mit einem In-der-Luft-Hängen. Alle neuen Freunde sind mit meiner Arbeit verbunden, alle alten Freunde und Verwandten leben in Estland. Ich fühle keinesfalls, dass ich in Österreich irgendwie benachteiligt oder anders als Einheimische behandelt werde, nur ich selbst habe das Gefühl, dass ich, da ich nicht in Österreich aufgewachsen bin, kein Teil der dortigen Gesellschaft bin und werden werde. Es gibt nicht einen Stein, über den ich mal gestolpert bin, womit ich eine eigene Geschichte verbinde. Es gibt keinen Baum, unter dem ich mal gesessen bin, keine Erinnerung an Gerüche oder Geschmäcker.

Mein Sohn wird wohl als Wiener aufwachsen und die gleiche emotionale Bindung zu seinem Kindheitsort entwickeln. Das nehme ich gerne hin. Ich zweifle aber ernsthaft, ob ich meiner Heimat für immer fern bleiben kann.

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
So eine Situation ist für mich eigentlich nicht mehr vorstellbar. Auch wenn ich das Kind prima betreut weiß, bin ich im Kopf nicht mehr kinderfrei. Ich würde mich mit meinen besten Freundinnen, die ich in letzter Zeit sträflich vernachlässigt habe, zunächst in einer Cocktailbar treffen, später tanzen gehen und mich fein anziehen, ohne ständig den schokoladenverschmierten Händen eines Zwerges vorbeugen zu müssen.

Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Ich würde ihr sagen, sie sollte sich nicht den Kopf über den richtigen Zeitpunkt für ein Kind zerbrechen. Denn diesen Zeitpunkt gibt es praktisch nie. Allerdings gibt es auch keinen falschen Zeitpunkt für eine richtige Sache. Bei mir hat es sich gezeigt: Am Ende wird sich immer alles irgendwie fügen. Ein kleines Kind aufwachsen zu sehen, es an der Hand zu nehmen und ihm die Welt zeigen zu können, ist ein wunderschönes, mit nichts zu vergleichendes Geschenk des Lebens.


Vielen Dank, liebe Mailis!
Hier sind die Fragebögen von JuleKatiIndre und Isabelle.

PARIS MIT KINDERN






SPIELEN

Le Bal Café, 6, Impasse de la Défense, 75018 Paris: Direkt neben diesem schönen Café (mit sensationellem Kaffee, gutem Essen und einem Buchladen) gibt es einen Spielplatz mit Wiese, Bäumen und einem Garten.
Le 104, 104 Rue D´Aubervilliers, 75019: Ein Zentrum für zeitgenössische Kunst, mit Ausstellungen, Festivals, einem Buchladen, einem Restaurant und einem hinreißenden Spielraum für Kleinkinder bis fünf Jahre: "La Maison des Petits" ist perfekt für Regentage, es gibt Spielzeug, die Kinder können riesige Bilder malen (und mit nach Hause nehmen), mit Wasser spielen oder Türme bauen, und der Eintritt ist kostenlos.
Jardin du Luxembourg: Noch nie in meinem Leben habe ich so einen Spielplatz gesehen - unzählige Rutschen, Wackeltiere, eine Rutschbahn. Direkt daneben ein Karussell. Und ein Marionetten-Theater. Und dann der See in der Mitte, auf dem man Schiffe fahren lassen kann. Könnte ich einen Park mit nach Hause nehmen, es wäre der Jardin du Luxembourg.
La Cité des Enfants, 30, Avenue Corentin-Cariou, 75019: Ein wirklich liebevoll gestaltetes Kindermuseum: für 2 bis 7-Jährige und 5 bis 12-Jährige. Gucken, anfassen, ausprobieren, was für ein Abenteuer, was für ein Spaß! (Achtung: vorher anmelden!).
Le Jardin des PlantesSchattige Alleegänge, Blumen, verschiedene Museen wie die Grande Galerie de l´Evolution oder ein Naturkundemuseum für Kinder und ein kleiner, sehr feiner Zoo mit Affen, Flamingos, Wildpferden und Leoparden.
Karussellfahren: Auf fast jedem Platz dieser Stadt steht ein Karussell, viele davon sind herrlich altmodisch. Fanny konnte gar nicht genug davon bekommen.

EINKAUFEN
Bonton, 5, Boulevard des Filles du Calvaire, 75003: Ein Concept-Store für Kinder: Im Untergeschoss und im Erdgeschoss gibt es Spielzeug, Schnickschnack für die nächste Geburtstagsparty und einen Passfoto-Automaten mit einer Riesenauswahl von Perücken, in dem man brüllkomische Bilder machen kann - in der ersten Etage die Kindermode von Bonton.
Alice à Paris, 9, Rue de L´Odéon, 75006: Entzückende, erstaunlich bezahlbare Kindermode. (Online wird auch nach Deutschland geliefert.)
Gap Kids, 36, Avenue des Champs Elysées, 75008: T-Shirts, Jeans, Jacken - geliefert wird zwar auch nach Deutschland, aber selber gucken ist einfach schöner.
Monoprix, überall in der Stadt: Die Kindermode der Supermarkt-Kette ist nicht nur günstig, sondern auch wirklich hübsch.
Zef, 55, Rue des Saint-Pères: T-Shirts, Pullis, Strickjacken, oft mit Sternen, immer schön, vor allem die Accessoires wie die Tücher.
Bonpoint, 6, Rue de Tournon: Großer Stoßseufzer. Beeindruckender als die Kindersachen, die man hier kaufen kann, sind leider nur die Preise. Aber der Concept-Store in der Rue de Tournon lohnt auch allein fürs Gucken einen Ausflug. (Und ich liebe das Parfüm von Bonpoint...).
DPAM: Gut, bezahlbar, überall in der Stadt.
Anais et Martin, 13, Rue des Récollets, 75010: Ein selten hübscher Kinderladen mit Mode, aber auch Armbändern und Spielzeug, direkt um die Ecke vom Canal Saint-Martin.
Petit Pan, 10, Rue Yvonne Le Tac, 75018: Kindermode (die Schlafanzüge!), Kissen und die unfassbarsten Papier-Lampions, die ich je gesehen habe.
Balouga, 25, Rue des Filles du Calvaire, 75003: Ein toller Laden für Kindermöbel.

WOHNEN
Eine günstige Möglichkeit, mit Kindern in der Stadt zu wohnen: ein Wohnungstausch. Wir waren mittlerweile drei Mal in Paris und wurden nie enttäuscht. Im Gegenteil. Mit ein bisschen Glück findet man Tauschpartner, die ebenfalls Kinder haben, und bekommt eine Wohnung mit Kinderzimmer. Die Adresse, über die wir immer unsere Wohnung tauschen: www.haustauschferien.com.

MEHR TIPPS
David Lebovitz: Ten Great Things to Do With Kids in Paris.
Washington Post: Paris with Kids.
Luvaville: Best Playgrounds in Paris.
Rookie Moms: Spend a week in Paris.
Oh Happy Day: 10 Things to do in Paris with kids.

MEIN PARIS








LE PARISGEFÜHL
Das Altmodische: Dieses Gefühl, nicht nur in der Gegenwart, sondern gleichzeitig auch im 18. oder 19. Jahrhundert zu leben. All die kleinen Läden, die zu keinen Ketten gehören, und doch überleben können. Die Spielzeug-Segelboote, die man im Jardin du Luxembourg mieten kann, die Karusselle, die aussehen wie in Bilderbüchern, dass es in Buchläden tatsächlich noch Bücher gibt, die man selbst aufschneiden muss.
Die Kinderliebe: Ist mir jetzt wieder aufgefallen. Die mögen Kinder auf eine so entspannte Weise. Lassen sich bezaubern. Flirten. Tätscheln. Zwinkern. Winken. Nichts besonderes, aber das ist sehr hübsch und freundlich. Nie hat man das Gefühl, dass Kinder jemandem auf die Nerven gehen.
Die Farben: Das Rausgewaschene, ich mag es so sehr. Die Variationen von sandfarben, steinfarben, beige, grau, irgendwann mal weiß gewesen. Und das Gelbe der Nacht, die Straßenlaternen mit ihrem Licht. Ich kenne keine Stadt, die nachts und bei Regen so schön aussieht wie Paris.
Die Bäckereien: An jeder Ecke eine Bäckerei, und immer könnte ich mir am Fenster die Nase platt drücken. Die Körbe voller Baguettes, die kunstvollen Torten, die Tartes mit Aprikosen und Äpfeln, Macarons in allen Farben, die man sich nur ausdenken kann, Eclairs mit Schokolade und dieser Geruch.
Das Reden: Wie viel die Menschen hier reden. Alle reden immerzu. Wie ich das mag.
Das Restaurant um die Ecke: Egal, wo man in Paris unterkommt, immer hat man nach spätestens drei Tagen sein Restaurant um die Ecke, wo man begrüßt wird, als wäre man ein Freund. Es gibt Cheeseburger und Bier, Mousse au chocolat und guten Kaffee.
Das Verlorengehen: Fällt mir in Paris so leicht wie in keiner anderen Stadt. In jeder kleinen Seitenstraße gibt es irgendetwas zu entdecken, einen kleinen Park, eine Bäckerei, einen Laden, einen Blick.

LE SHOPPING
Merci, 111, Boulevard Beaumarchais, 75003: Der schönste Concept-Store, den ich kenne: Mode, Küchenwaren, ein Restaurant, Schmuck, Notizbücher, ein Café.
Bonton, 5, Boulevard des Filles du Calvaire, 75003: Bloß ein paar Schritte weiter. Ein Kinder-Concept-Store: Mode, Kindergeburtstagsschnickschnack, Bettwäsche, Kinderbücher und ein Passfoto-Automat zum Rumalbern.
E. Dehillerin51 Rue Jean-Jacques Rousseau, 75001: Alles, aber auch wirklich alles, was man zum Kochen brauchen könnte, in meterhohen Regalen bis an die Decke gestapelt.
Printemps, 64, Boulevard Haussmann, 75009:  Mein Lieblingskaufhaus und eine sehr gute Idee, wenn man keine Zeit hat, alle Läden abzuklappern, die man gerne sehen würde: APC, Ba&shCarven, Etoile Isabel Marant, Iro, Maje, Sandro, Surface to Air, Swildens, The Kooples, Vanessa Bruno - alle unter einem Dach.
Galerie Lafayette, 40, Boulevard Haussmann, 75009: Das andere wirklich gute Kaufhaus.
Uniqlo, 17, Rue Scribe, 75009: Außergewöhnlich gute Basics, vor allem für Männer. (Und ich liebe die Loungewear).
Soeur, 88, Rue Bonaparte, 75006: Einer meiner Lieblingsläden. Französische Mode für Mädchen und ihre Mütter, schlichte Kleider, gute Sweater, Strickjacken, Blusen und Accessoires.
Swildens, 38, Rue Madame, 75006: Französischer Rock-Chic, hier habe ich meine Lieblingsschuhe gekauft.
City Pharma, 26, Rue Four, 75006: Eine Apotheke, so sagenhaft voll, dass man sich kaum bewegen kann. Reingehen lohnt sich trotzdem, denn hier gibt es französische Kosmetik zu Sonderpreisen.
La Case de Cousin Paul, 6, Rue Tardieu, 75018: Diese Lampen! Im Laden kann man sich aus Dutzenden von Farben seine eigene Lichterkette zusammenstellen. Verschickt wird auch online.
Le Petit Atelier de Paris, 31, Rue de Montmorency, 75003: Ein zauberhafter Laden - zarte, wunderschöne Keramik und der perfekte Ort, um Geschenke und Mitbringsel zu finden (die man am liebsten selbst behalten möchte).
Hermès, 24, Rue du Baubourg Saint-Honoré, 75008: Überhaupt nicht nötig, hier etwas zu kaufen, schauen alleine macht schon glücklich: all die bunten Seiden-Carrés, die man anschauen und anprobieren darf, die Verkäuferinnen, die in jeder Sprache dieser Welt erzählen, wieviel Handwerk und wieviele Stunden Arbeit in einem dieser Tücher stecken, die Limousinen, die vor der Tür warten. Ein großer Spaß.

LE FOOD
Tarte Kluger, 6, Rue du Forez, 75003: Tarte in allen Variationen, süß, salzig, immer gut.
Hotel Amour8, Rue de Navarin, 75009: Leutegucken und Burger futtern.
Nanashi31, Rue du Paradis, 75010: Gesund, japanisch-inspiriert, lässig.
Mamie Gateaux, 66, Rue Cherche Midi, 75006: Tee, Kaffee, selbstgemachte Tarte, zum Nachmittagvertrödeln.
Le Marché des Enfants Rouge, 39, Rue de Bretagne, 75003: Der älteste Markt von Paris und ein ganz besonders schöner.
Le Bal Café, 6, Impasse de la Défense, 75018: Guter Kaffee, gutes Essen, guter Ort.
Ladurée, 21, Rue Bonaparte, 75006: Ich liebe den Tee-Salon von Ladurée in Saint-Germain. Eine Tarte Tatin, eine Schachtel Macarons, schon auf dem Nachhauseweg verputzt, und das Leben ist schön.
Rose Bakery, 30, Rue Debelleyme, 75003: Für einen Kaffee oder zum Sonntagsbrunch - manchmal ist der Service allerdings grottig.
Café Flore, 172, Boulevard Saint-Germain, 75006: Viel französischer geht es nicht, da stören nicht mal all die anderen Touristen.
La Grande Epicerie/ Bon Marché, 38, Rue de Sèvres, 75007: Die Feinkostabteilung des Kaufhauses Bon Marché. Food-Porn.
Coutume Café47, Rue de Babylone, 75007: Mein Lieblingscafé. Keine Ahnung, was sensationeller ist: der Kaffee oder die Einrichtung.
Restaurant Frenchie, 5,6, Rue du Nil, 75002: Moderne, französische Küche. So toll, dass man nur mit Glück einen Tisch bekommt.
Chez Janou, 2, Rue Roger Cerlomme, 75003: Französische Küche und so viel Mousse au chocolat zum Nachtisch, wie man essen kann. Hier nachzulesen.
Pain de Sucre, 1, Rue Rambuteau, 75003 Paris: Winzig klein und ganz groß. Unfassbare Patisserie.
Café Maure de la Mosquée, 39, Rue Geoffroy Saint-Hilaire, 75005: Honigtriefendes Baklawa und süßer Minztee neben der Grande Mosquée.

LE SONNTAGNACHMITTAG
Canal St. Martin, Métro-Station République: An Sonntagen wird die Straße am Kanal für die Autos gesperrt, und man kann wunderbar spazierengehen, es ist grün, ein bisschen schrabbelig und wunderschön. (Und falls jemand Lust auf einen Kaffee hat: das "Hotel du Nord" ist nett, das Café "Chez Prune" ein Totalflop).
Seine-Ufer: Ein Spaziergang am Ufer der Seine mit Picknick, das ganz große Paris-Gefühl.
Musée Rodin: Einer der wenigen Orte auf dieser Welt, an denen einem ein Künstler, von dem man sich ganz fest eingebildet hat, er könnte einen nicht berühren, weil man sich an all den Abbildungen satt gesehen hat an, so neu vorkommt, als würden seine Skulpturen erst vor zehn Minuten fertig geworden sein. Selten so gerührt gewesen von einem Museum und davon, wie nahe man Kunst hier kommen darf. Dazu der knarzende Boden und dieser Garten, ein unvergessliches Erlebnis.
Sacre-Coeur: Ja, ja, ich weiß - touristischer geht´s gar nicht. Und doch hab ich hier immer wieder das Gefühl, an einem spirituellen Ort zu sein. Und der Blick über die Stadt ist wunderschön. Auf der Rückseite der Kirche ist es übrigens sehr ruhig und oft menschenleer, als hätte jemand den Tourismus ausgeschaltet. (Und der kleine Park ist einer der romantischsten Orte, die ich in Paris kenne...).
Noch ein paar wirklich gute Museen: das Musée d´Orsay, das Musée de la vie romantique, Maison européenne de la photographie und das Palais de Tokyo.

Jetzt bin ich neugierig: Was sind eure liebsten Orte in Paris? Was liebt ihr hier besonders?
(Und morgen dann: Paris mit Kindern...).

UND WIE MACHST DU DAS, ISABELLE?


Name: Isabelle (von Applewood House)
Alter: 40
Mutter von: Charlotte (11), Louisa (9) und Josephine (5)
Stadt: In der Nähe von Bielefeld
Beruf: Dipl. Ing., Geschäftsführerin bei einem Möbelhersteller

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Ich habe bei allen drei Kindern immer sofort nach dem Mutterschutz wieder gearbeitet. Allerdings war ich in der glücklichen Lage, das Baby mit ins Büro zu nehmen. Dort gab es dann eine Babyecke und da meine Töchter zum Glück alle sehr friedliche Babys waren, ging das die ersten Monate sehr gut. Nach ungefähr einem halben Jahr ging es dann, jedenfalls bei den beiden größeren, ab zur Tagesmutter. Unsere zweite Tochter kam dann gerade zur Tagesmutter, als unsere Große mit genau drei in den Kindergarten kam. U3-Plätze gab es zu der Zeit (2003) hier bei uns in der westfälischen Provinz noch so gut wie gar nicht oder nur mit abwegigen Wartezeiten. Als unsere dritte Tochter geboren wurde, haben wir uns den absoluten Luxus gegönnt. Anstatt ein Kind nachmittags aus der Schulbetreuung, ein Kind aus dem Kindergarten und noch ein Kind von der Tagesmutter abholen zu müssen (alleine der logistische Aufwand!) kam dann eine ganz liebe Kinderfrau an vier Tagen die Woche zu uns nach Hause und betüddelte erst unsere Kleinste, holte die Großen ab, wärmte das von mir vorbereitete Esen auf und sorgte für das nötige Entertainment bis ich nach Hause kam. Wie gesagt, ein Luxus. Rechnet man allerdings die Beiträge für die Ganztagesbetreuung in der Schule, die Ganztagesbetreuung im Kindergarten und die Kosten für die Tagesmutter zusammen und bedenkt dann auch noch den Betreuungsschlüssel und dass die Kinderfrau leidenschaftlich gerne bügelt...

Da das Leben als Familie aber nicht statisch ist, sondern ein langer ruhiger (und manchmal stürmischer) Fluß, verändert sich auch immer wieder etwas. Nach den Sommerferien kommt unsere Kleinste in die Schule, die Große geht schon seit zwei Jahren auf die weiterführende Schule mit längeren Unterrichtszeiten, aber ohne Betreuungsmöglichkeiten. Entsprechend fängt die Kinderfrau jetzt ein bisschen mehr die Randstunden auf und hilft an zwei Tagen im Haushalt mit.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Als Geschäftsführerin im Familienunternehmen kann ich mir natürlich ganz andere Freiheiten herausnehmen als eine "normale" Angestellte. Andererseits muss ich immer ansprechbereit sein. Einen klar definierten Feierabend habe ich nicht. Und möchte man in den Ferien auch mal an einem Werktag mit den Kindern in den Zoo gehen, weil die ja schließlich frei haben, so hängt man dann doch zwischendurch am Handy und löst Probleme. Als mittelständischer Unternehmer macht man ständig einen Spagat zwischen Kunden und Lieferanten.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Um sechs Uhr klingelt der Wecker. Fertigmachen, Frühstück in Ruhe mit der ganzen Familie. Das muss sein. Und mit der Tageszeitung. Um 7 Uhr muss der Papa los, 7:20 Kind eins mit dem Fahrrad, Kind 2 und ab August Kind drei um 7:30 zu Fuß zur Schule. Mama sitzt dann um 8 im Büro (zum Glück kaum fünf Minuten Fahrt). Je nach Wochentag ist dann meist gegen drei erstmal Schluss im Büro, dann fangen die Fahrdienste an. Ballett, Musikschule, Reiten, Tennis, Verabredungen... Ab 19 Uhr wird es dann ruhiger, ich koche dann unser Abendessen und meistens backe ich noch irgendetwas nebenbei. Die Kinder essen dann schon mal und gehen nacheinander ins Bett. Meistens kommt dann auch gerade mein Mann nach Hause und liest noch ein bisschen mit den beiden Kleineren. Diese Vorlesezeit war und ist uns schon seit dem Babyalter der Kinder wichtig und fällt nur im Notfall einmal aus. Unsere Große kommt ja demnächst schon in die 7. Klasse und darf meistens abends noch eine Weile mit uns herumlümmeln. Mein Mann und ich essen dann in Ruhe und gehen grundsätzlich zu spät ins Bett.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Zeit für mich? Wie man es nimmt. Eigentlich bin ich entweder am arbeiten oder mit den Kindern beschäftigt. Aber das heißt ja nicht, dass das nicht Zeit für mich wäre. Das bin ja immer ich, und ich habe mir das schließlich so ausgesucht mit Job und drei Kindern. Und das fühlt sich an den allermeisten Tagen auch gut an, so wie es ist. Sicher gibt es auch Tage, an denen mal alles zu viel wird, alles nervig ist und die Laune im Keller. Aber eher selten. Wir sind hier alle eher Frohnaturen. Mir reicht es, zwischendurch mal eine Runde laufen zu gehen (auch wenn es oft nur fürs Laufband reicht, weil ich ja schlecht die Kleine alleine lassen kann). Und ich fotografiere viel in meiner Freizeit, da sind die Kinder dann halt einfach dabei. Sicher gehe ich auch öfter mal mit Freunden aus, am Wochenende ist aber ein Abend in der Regel "Familienabend" mit den Kindern, mit gutem Essen, manchmal einem Spiel, manchmal mit einem guten Film, oft mit Freunden.

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Ganz ehrlich? Ich habe mir gar nichts vorgestellt. Wir haben uns einfach Kinder gewünscht. Und dann alles auf uns zukommen lassen. Wie wunderschön es ist, Mutter zu sein, diese bedingungslose Liebe, die man empfindet, dieser Duft, diese Rührung, diese Sentimentalität und dieses eigenartige Gefühl, sein Herz außerhalb des Körpers zu tragen, niemand vermag sich das auch nur im Ansatz vorzustellen. Und dass man als Mama für den Rest seines Lebens bei jeder Fernsehschnulze heulen muss.

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Dauergenörgel und Streit unter den Kindern. Es gibt Tage, da scheinen sich immer zwei von drei Kindern zu streiten. Furchtbar. Sehr anstrengend war die Zeit, in der unsere Große zwei war, die nächste gerade geboren (und die schlief nicht nach drei Wochen durch wie die große Schwester), wir ein Haus gebaut und halt nebenbei noch gearbeitet haben. Da denke ich im Nachhinein manchmal: wie um alles in der Welt haben wir das geschafft?

Was macht dich besonders glücklich?
Klebrige kleine Kinderhände mit Gänseblümchensträußchen. Stürmische Umarmungen. Das stundenlange Betrachten von schlafenden Kindern, gerne Arm in Arm mit meinem Mann. Wenn alle zusammen spielen und lachen. Wenn meine Große uns ganz alleine einen Kuchen backt. Und vor allem: dieses Glück zu haben.

Welches Verhältnis hast du zum Vater deiner Kinder? Wie haben die Kinder dieses Verhältnis verändert?
Wir sind schon seit über 20 Jahren zusammen und waren uns schon als Studenten sicher, einmal eine Familie haben zu wollen. Und jetzt genießen wir das beide sehr. Auch wenn wir bei einigen kleinen Details in der Erziehung manchmal nicht ganz einer Meinung sind, so halten wir uns doch gegenseitig für die beste Mama und den besten Papa der Welt. Die Zeit, die wir jetzt mit den Kindern haben, ist uns beiden sehr wichtig. Ruckizucki sind die Kinder groß, die letzten knapp 12 Jahre, seitdem wir Eltern sind, sind geradezu verflogen. Meinen Mann als Vater zu erleben, hat ihn für mich noch viel liebenswerter gemacht (falls das möglich ist).

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Leider fühlt es sich für die meisten jungen Familien so an, als wären sie alleine auf weiter Flur. Die Kinderbetreuung zu organisieren kann zum Kraftaufwand werden. Die Kitas und Schulen können sich finanziell kaum über Wasser halten, es wird einfach nicht genug in Bildung investiert. Und was nützt ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Einjährige, wenn auf der anderen Seite das Geld für ausreichend Personal fehlt? Die Qualität der Kinderbetreuung wird von der Politik völlig außer Acht gelassen. Einerseits wird nach einer akademischen Ausbildung für Erzieherinnen geschrien, auf einmal sollen dann aber Langzeitarbeitslose mit einer verkürzten Umschulung ausreichend qualifiziert sein, die nächsten Pisa-Gewinner heranzuzüchten. Lehrstellen fehlen an den Schulen, die Klassen werden immer größer, der Unterrichtsausfall nimmt exorbitante Ausmaße an. Und dann noch die Diskussionen um die "Herdprämie". Dabei waren wir doch vor ein paar Jahren auf einem so guten Weg! Als Ingenieurin und Unternehmerin bin ich immer für Zahlen und Fakten und auch dafür, dass sich etwas rechnen muss. Aber es gibt auch ideelle Werte. Die kosten auch etwas, sind aber letztendlich auch von Wert! Und welchen volkswirtschaftlichen Schaden eine mangelhafte Bildungspolitik anrichten wird, müsste in Zeiten der Diskussion über Facharbeitermangel und die Vergreisung der Gesellschaft eigentlich jedem klar sein.

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Wie sehr man das Leben lieben kann! Wie wunderbar manchmal kleine Dinge sind, die man sonst vielleicht übersehen hätte. Wie einzigartig bedingungslose Liebe ist.

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Ähmmmm. Ich würde wohl im November zur "Bloggst"-Konferenz nach Hamburg fahren. Oder zwei Tage London, einmal in Ruhe durch alle Museen und Gallerien wandern. Und meine Familie vermissen.

Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Wenn du bereit bist für das größte Abenteuer deines Lebens, dann los! Sicher, es ist nicht immer ein Honigschlecken, du wirst oft müde sein und ratlos, unsicher und voller Sorgen. Aber du schaffst das. Vertrau auf dich. Egal was ist, du bist die beste Mutter, die dein Kind haben kann! Denn niemand liebt es so, wie du es liebst. Und lass dich nicht verrückt machen von Verwandten, von Freunden, von Nachbarn, von anderen Müttern, Erziehern und Lehrern und der Gesellschaft. Euer Leben muss euch passen, niemand anderem. Und ob du fünf Jahre stillen willst, arbeiten möchtest oder nicht arbeiten möchtest, jeden Tag Hausmusik machen möchtest, Brei selbst kochen oder lieber im Gläschen kaufst, das geht doch keinen etwas an. Bleib du selbst, auch als Mutter. Erfinde dich nicht neu, lass dich nicht verbiegen, sonst machst du dich verrückt. Hab ein dickes Fell, was Ratschläge von Leuten, von denen du gar keine Ratschläge bekommen möchtest, angeht. Hör auf dein Bauchgefühl. Und in den allermeisten Fällen wird alles gut. Manchmal anders als erwartet, aber gut.

Vielen Dank, liebe Isabelle!
Hier sind die Fragebögen von Jule, Kati und Indre.






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