Name:
Jenni
Alter: 34
Mutter von: Oskar
Stadt: Berlin
Beruf: Museologin
Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Wir sind erst seit knapp einem Jahr in Berlin. Davor haben wir in Schottland gewohnt, wo wir Oskar schon vor seiner Geburt in einem Kindergarten angemeldet hatten. Mit dem Umzug nach Berlin, der relativ plötzlich kam, mussten wir den Platz natürlich aufgeben und die Suche hier neu starten. Wir hatten großes Glück und haben relativ kurzfristig einen Kita-Platz bekommen. Zuerst war Oskar nur ein paar Stunden am Tag dort, während ich auf Arbeitssuche war, seit ich arbeite, geht er nun für länger hin. Die Kita macht zwar schon um 17 Uhr zu, aber so lange ich nicht ganztags arbeite, ist das kein Problem. Er scheint dort sehr glücklich zu sein, also bin ich auch zufrieden. Das Einzige, was ich mir wünschen würde: dass die Kita nicht in entgegengesetzter Richtung zu meiner Arbeit läge - aber unter den Umständen wollen wir mal nicht wählerisch sein.
Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Bevor Oskar auf die Welt kam, habe ich ganztags bei den
"National Museums Scotland" gearbeitet, und wahrscheinlich wäre ich auch wieder ganztags eingestiegen. Jetzt arbeite ich nur noch Teilzeit bei den
"Staatlichen Museen zu Berlin" - allerdings nicht, weil ich es so wollte. Es gab trotz der Museumsdichte in Berlin einfach keine vollen Stellen. Dafür sind meine Arbeitsbedingungen sehr gut. Ich arbeite fünf kürzere Tage die Woche, statt z.B. zwei oder drei längere, was Routine in die Woche bringt und sich gut mit den Kita-Abholzeiten vereinbaren lässt. Und wir haben Gleitzeit, was bedeutet, dass ich zwar Kernzeiten habe, aber ansonsten viel Spielraum, falls ich mal später komme oder früher gehen muss. Bisher funktioniert es sehr gut.
Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Wie stehen meist um kurz nach 7 Uhr auf. Mein Mann geht dann duschen, während ich Oskar fertig mache und wir schon mal mit dem Frühstück anfangen. Dann frühstückt mein Mann mit Oskar zu Ende, während ich mich fertig mache. Ich bringe Oskar zur Kita und laufe von dort aus ungefähr 45 Minuten zur Arbeit. Ich arbeite dann meist bis 14 oder 15 Uhr, je nachdem, wie spät es ist, gehe ich vorher noch einmal nach Hause, um ein paar Dinge zu erledigen, oder hole Oskar direkt von der Arbeit aus ab. Wenn ich ihn zu früh abhole, meckert er. Auf dem Weg nach Hause kaufen wir oft noch fürs Abendessen ein, dann koche ich, während Oskar spielt und danach bleibt meist noch Zeit, vorm Abendessen gemeinsam etwas zu spielen. Mein Mann kommt gegen halb sieben nach Hause, und dann essen wir zusammen. Das ist uns wichtig. Danach heißt es baden, Buch lesen, Milch trinken und ab ins Bett für den kleinen Mann. So ab 21 Uhr haben wir dann Zeit für uns, oder wir arbeiten an
unseren Blogs oder anderen Projekten. Oft komme ich nicht vor Mitternacht ins Bett.
Wie viel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Natürlich wäre mehr Zeit immer schön, aber ich kann mich eigentlich nicht beklagen. Dass ich neben beruflichen Museumsprojekten und anderen ehrenamtlichen Museumstätigkeiten jede freie Minute mit Bloggen ausfülle, daran bin ich ja selbst schuld...
Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
So lange ich mich erinnern kann, wollte ich eines Tages Mutter werden, aber ich glaube, egal, was man sich vorher vorgestellt hat: Nichts kann einen darauf vorbereiten, wie es wirklich ist. Oskar war ein geplantes und absolutes Wunschkind, daher war es für mich besonders schwer, dass die "Liebe auf den ersten Blick", die ich mir vorgestellt hatte, wenn ich mein Kind zum ersten Mal in den Armen halte, nicht einsetzte. Meinem Mann floss das Herz fast über, ich dagegen stand diesem neuen Wesen etwas apathisch gegenüber - und war enttäuscht, ich hatte mich doch so auf diesen Moment gefreut. Es ist schwer, sich in solch einem Moment nicht als schlechte Mutter zu fühlen. Und es zuzugeben, scheint eher noch ein Tabu-Thema zu sein, was einem auch nicht gerade weiterhilft. Natürlich habe ich mich dann doch in meinen Sohn verliebt, nur war es eine Liebe, die langsam gewachsen ist. Heute geht mir, schon seit langem, das Herz genauso über und ich kann mir ein Leben ohne Oskar gar nicht mehr vorstellen.
Was empfindest du als besonders anstrengend?
Auf jeden Fall den Schlafmangel. Oskar wacht immer noch fast jede Nacht auf. Mein Mann schläft nach der nächtlichen Unterbrechung sofort wieder ein, aber ich liege dann leider noch eine Zeit wach. Ich konnte schon als Kind nur sehr schlecht einschlafen. Anstrengend finde ich auch, was zum Glück nicht so oft vorkommt, dass man sich zum Beispiel bei einer Erkältung nicht einfach mal drei Tage ins Bett legen und auskurieren kann - besonders, wenn es beide Eltern erwischt hat. Irgendwer muss ja das Kind versorgen. Da bedarf es dann schon mal der letzten Willenskraft, um auf den Beinen zu bleiben.
Was macht dich besonders glücklich?
Am Wochenende als Familie etwas zusammen zu unternehmen. Manchmal gehen wir einfach nur auf den Spielplatz hinterm Haus oder in der Nachbarschaft spazieren, bei schlechterem Wetter auch mal ins Kindercafé oder in eines der vielen Berliner Museen. Oskar ist wie alle Kinder sehr neugierig, bleibt an jeder Ameise stehen. Er ist auch ein ausgesprochen fröhliches Kind, lacht viel und gerne. Egal, ob er gerade aufgeregt ist, weil er hinter dem Haus einen Tannenzapfen gefunden hat, stolz, ganz alleine die Treppen im Jüdischen Museum gemeistert zu haben, oder sich wie eine mexikanische Hüpfbohne auf einem Gummipferd im Kindercafé austobt - es macht mich einfach glücklich, ihm dabei zuzusehen und seine Freude zu teilen.
Welches Verhältnis hast du zum Vater deines Kindes? Wie hat das Kind dieses Verhältnis verändert?
Mein Mann und ich haben ein sehr gutes Verhältnis, wir kennen uns seit acht Jahren und sind seit drei Jahren verheiratet. Als Museologin arbeite ich derzeit im Bereich Internet und Social Media, er ist Web-Developer mit einer Liebe für Museen und Kultur, also ergänzen wir uns sehr gut. Auch was die Kindererziehung angeht, haben wir ähnliche Vorstellungen, so dass es bei uns im Großen und Ganzen selten Konflikte gibt. Das entspannt das Familienleben. Unser Verhältnis hat sich aber in dem Sinne verändert, dass wir kaum noch Zeit füreinander haben, also ohne Kind. Uns fehlt bisher noch das Netzwerk an Freunden und Familie, dass wir in Schottland hatten, um einfach mal etwas alleine zu machen, während jemand für ihn vertrautes auf Oskar aufpasst. Aber das wird sich mit der Zeit bestimmt noch geben.
Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Soweit wir das in Deutschland bisher miterlebt haben, geht es Eltern hier relativ gut. Sicher könnte einiges besser sein, aber wir sehen das immer im Vergleich zu Schottland. Dort gibt es z.B. keine Trennung zwischen Mutterschutz und Elternzeit, man bekommt insgesamt bis zu zwölf Monate "maternity leave" (Mutterschaftsurlaub), allerdings nur neun Monate bezahlt. Viele arbeiten bis kurz vor ihrem Stichtag, um so viel Zeit wie möglich nach der Geburt mit dem Kind zu haben. Ich habe das auch so gemacht, und meinen "maternity leave" erst zehn Tage vorher angetreten - allerdings kam Oskar dann acht Tage zu spät. Ein gesetzlich vorgeschriebenes Arbeitsverbot gibt es lediglich für die zwei Wochen nach der Geburt. Väter bekommen zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Kindergartenplätze scheinen zwar in beiden Ländern Mangelware zu sein, aber in Schottland hätten wir fast das Vierfache an Betreuungskosten gezahlt - dabei ist das Kindergeld fast die Hälfte weniger als in Deutschland. Als Familie fühlen wir uns in Deutschland auf jeden Fall besser unterstützt.
Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Ich bin von Natur aus ein recht ungeduldiger Mensch und habe mich selbst überrascht, wie relativ leicht es mir fiel, die Geduld an den Tag zu legen, die als Mutter oft erforderlich ist. Und ich habe gelernt, dass ich, abgesehen von den Anfangsschwierigkeiten, nicht zur "stay at home mum" geboren wurde. Auch hier fühlte ich mich zuerst als Rabenmutter, weil ich lieber wieder arbeiten gehen wollte als den ganzen Tag mit meinem Kind zu verbringen. Aber ich habe meine Arbeit zu sehr vermisst und schließlich eingesehen: "Ich bin keine schlechte Mutter, ich bin einfach nur ein Mensch." Zum Glück ist Oskar das geborene Kindergartenkind, wie gesagt, wenn ich ihn zu früh abhole, dann meckert er. Und die gemeinsame Zeit am Abend und am Wochenende genießen wir dann umso mehr. Von der Welt - und besonders von Müttern untereinander - würde ich mir wünschen, dass sie toleranter untereinander wären...
Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Das hört sich jetzt vielleicht verrückt an, aber ich würde mich gerne mal so richtig beim Sport auspowern. Bevor Oskar geboren wurde, habe ich in Schottland ein bis zwei Mal die Woche
Bodycombat gemacht und war mehrmals in der Woche schwimmen. Jetzt habe ich einfach keine Zeit mehr dazu. Ich laufe zwar fast überall zu Fuß hin, aber das ist halt eine andere Art von Bewegung. Danach würde ich mich in einem gemütlichen Café mit Tee und Kuchen einnisten und ohne Unterbrechungen in einem Buch schmökern. Oder vielleicht fahre ich doch lieber für 48 Stunden nach Hamburg oder Dresden und schaue mir die vielen tollen Museen dort an, das steht schon lange auf meiner Wunschliste!
Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Ich glaube, das kann jede Frau nur für sich selbst entscheiden. Manchmal kommt es einem so vor, als gäbe es nie den richtigen Zeitpunkt, aber man muss einfach auf sein inneres Gefühl hören. Und ja, es ist sehr, sehr viel harte Arbeit, und Tränen sind nicht immer Tränen des Glücks. Aber es macht einen auch glücklich und erfüllt und stolz. Ich habe es jedenfalls, auch in den schwierigen Stunden, noch nie bereut.
Vielen herzlichen Dank, liebe Jenni! Die anderen
Mutter-Fragebögen sind
hier nachzulesen.