Name: Julia
Alter: 35
Mutter von: David, 16 Monate
Stadt: Berlin
Beruf: Kulturmanagerin und Geschäftsführerin von
premiertone
Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
David teilt sich seit Januar mit einem gleichaltrigen Jungen eine Tagesmutter, die zu der anderen Familie nach Hause kommt, Montag bis Donnerstag von 8.30 Uhr bis 15 Uhr. Das klappt wunderbar, er ist da immer sehr happy und freut sich, wenn wir schon an der Tür stehen. Die Tagesmutter ist ein paar Jahre jünger als ich, und wir verstehen uns wirklich gut und schnacken auch gerne mal, was ich als sehr angenehm empfinde. Genauso ist es auch mit der anderen Mutter. Diese Betreuungssituation ist natürlich recht luxuriös mit nur einem weiteren Kind, aber ich hatte ein sehr gutes Gefühl dabei, von Anfang an. Daher haben wir uns dafür entschieden und sind sehr froh, dass wir uns das so leisten können. Bis nächstes Frühjahr wird das hoffentlich so bleiben, danach ist eine normale Kita angedacht. Nur suchen wir noch eine größere Wohnung, daher weiß ich noch nicht, wo...
Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Als Selbstständige kann man theoretisch von überall und immer arbeiten, mit Baby funktioniert das aber leider nicht ohne Betreuung. Das habe ich mir leichtsinnig etwas einfacher vorgestellt. Als David noch kleiner war, habe ich immer mal wieder eine halbe Stunde, Stunde Arbeit dazwischen oder auf den Abend geschoben. Mittlerweile hat sich das normalisiert, was ich sehr angenehm finde, denn ich arbeite lieber mehrere Stunden konzentriert am Stück, als wenn ich immer schon weiß, dass ich nur eine Stunde habe. Mehr arbeiten könnte man ja immer, daher ist es natürlich trotz Betreuung immer wieder so, dass ich auch abends mal am Laptop sitze. In den letzten Monaten habe ich "nebenher" auch unsere Hochzeit organisiert, die Ende Juni war, daher war es etwas viel. Aber jetzt kehrt wieder normaler Alltag ein.
Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Im Moment stehen wir zwischen 7-8 Uhr auf und machen uns nach dem Frühstück auf den Weg zur Tagesmutter. Je nach Tagesplan bringt einer von uns ihn hin - je nachdem, ob ich Anrufe machen muss, Termine habe oder mein Mann mit seinem Quartett probt, er ist Musiker. Manchmal arbeite ich in einem Café dort in der Nähe oder aber auch von zu Hause. Das ist aber nicht immer gut, weil man dann gerne noch tausend andere Dinge erledigen will... (andererseits aber toll, weil wir dann auch mal in Ruhe zu zweit Mittagessen können!). Am Nachmittag ist David etwas platt, der Rest des Tages geht recht schnell vorbei mit Spielen, Spaziergängen, Spielplatz, Abendessen, Baden. Er schläft meist zwischen 7 und 8 Uhr, spätestens um halbneun ein. Danach essen wir meist in Ruhe zusammen, reden oder sitzen auf dem Sofa, mit Laptop, entweder noch arbeitend oder irgendwann auch Serien guckend. Oder einer von uns trifft Freunde oder geht ins Konzert. Bisher haben wir unsere Tagesmutter zwei Mal auch am Abend engagiert, jetzt haben wir vor, das regelmäßig zu machen, damit wir auch zu zweit ausgehen können.
Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Seit David betreut wird, ist es viel besser geworden. Alleine das Wissen, ein paar Stunden am Tag für mich zu haben und davon auch mal eine Stunde für Sport nutzen zu können, ist toll. Klar wünsche ich mir, noch mehr Zeit am Stück für mich haben zu können, mal ein paar Tage wegzufahren (was mit einer Freundin auch schon angedacht ist). Ich war Ende Mai fast drei Tage beruflich in Wien, das allererste Mal alleine, die ersten Nächte ohne mein Kind. Es war grandios, alleine im Hotelzimmer zu sein. Natürlich habe ich die beiden Jungs vermisst, trotzdem war es toll. Das mit dem Ausschlafen hat allerdings nicht funktioniert, ich war schon um halb sieben wach. Arrgh! Manchmal vermisse ich David aber schon, wenn er abends bloß schläft, sein Lachen, sein Gebrabbel. Verrückt.
Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Ich habe mir kaum vorgestellt, wie es ist. Ich habe es mir sehr gewünscht, Mutter zu sein, aber nicht sehr viele Gedanken darüber gemacht. Es fühlt sich auf eine wunderbare Weise total natürlich und normal an. Was ich nie bedacht hatte, aber doch immer wieder auffällt: Wie viele Leute meinen, ihren Senf zur Kindererziehung beitragen zu müssen, Verwandte, Bekannte, wie viele Meinungen es zum Stillen oder Nichtstillen, zum Schlafen im eigenen Bett oder nicht gibt...
Was empfindest du als besonders anstrengend?
Die Nächte mit Unterbrechungen. Das Stillen empfand ich körperlich als wirklich anstrengend, besonders in den ersten zwei, drei Monaten. Wenn das Kind krank ist und man selber auch krank wird. Alle Eltern kennen Schlafmangel, jammern darüber, das wusste man auch schon vor dem Kind, doch wenn man es am eigenen Leib erfährt, ist es nochmal eine andere Nummer. Ich habe auch den Eindruck, zwischen dem sechsten und zwölften Monat ist es schlimmer, man wird so dauermüde, in den ersten Monaten ist man noch so hormongesteuert und alles neu und aufregend, da stört das weniger. Mittlerweile schläft David echt super und wird meist nur einmal ganz kurz wach.
Was macht dich besonders glücklich?
Dass dieser kleine Junge so gesund, so entspannt, so munter, so lustig, so neugierig, so stark und einfach wunderschön ist. Dass wir so unverschämt glücklich zusammen sind, dass alles so richtig und gut ist zu dritt (und hoffentlich irgendwann zu viert...).
Welches Verhältnis hast du zum Vater deines Kindes? Wie hat das Kind dieses Verhältnis verändert?
Wir sind ein sehr gutes Team und verstehen uns ohne viele Worte. Das war von Anfang an so. Daran hat unser Kind nichts geändert. Wir haben die Zweisamkeit immer sehr genossen und jetzt ist es fast noch schöner, dieses süße Kind zu haben - ich würde sagen, das verbindet uns noch mehr. Ich war mir irgendwie sehr sicher, dass wir gute Eltern zusammen werden, wir sind beide ziemlich ruhige, entspannte Typen, das spürt man auch bei David, er ist ein fröhliches Kind, er hat nie viel geweint. Natürlich muss man viel Verständnis füreinander haben, mein Mann ist immer mal wieder viel unterwegs, aber so konnten wir auch schon viel gemeinsam reisen. Seit David drei Monate alt war, waren wir auf einer Kreuzfahrt in der Ostsee durch sechs Länder, in der Schweiz, in verschiedenen deutschen Städten, in Ungarn und Armenien, er ist bis heute 15 Mal geflogen. Logistisch ist das natürlich ein gewaltiger Aufwand, aber es war großartig, und David hat es fast ausnahmslos sehr gut mitgemacht. Solange ich nur gestillt habe, war das sehr easy. Die Unterstützung meines Mannes in praktischen, alltäglichen Dingen ist auch ziemlich bilderbuchmäßig, ich glaube, ich habe ein Riesenglück, so einen Mann erwischt zu haben.
Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Tja, Stichwort: Kitas unter drei Jahren. Das ist ja in Deutschland immer noch sehr schwierig. Als ich mich auf die Suche gemacht habe (zugegeben erst nach der Geburt), wurde mir Angst und Bange, ob ich jemals irgendwo einen Platz finden würde. Es müsste einfach leichter sein, gute Betreuungsmöglichkeiten zu organisieren. Neulich trafen wir eine Mutter aus Frankreich. Die arbeitet wieder, seit ihr Baby vier Monate als ist. Dafür hat sie auch absichtlich nicht gestillt. Das finde ich wiederum recht extrem, und so ein kleines Baby abzugeben, stelle ich mir sehr schwer vor. Letztendlich muss man versuchen, für sich herauszufinden, was ein gut gangbarer (und besonders finanziell machbarer) Weg ist. Viele Informationen muss man sich an vielen verschiedenen Stellen zusammensuchen, das halte ich für einen unnötigen Zeit- und Stressfaktor. Und dass es so unterschiedlich sein kann in verschiedenen Städten - je nach Bundesland sind die Regelungen und Möglichkeiten so anders, da überlegt man sich gut, wo man hinziehen würde und wo lieber nicht.
Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Die Welt wird irgendwie zweigeteilter: in Mütter und in Nicht-Mütter. Manchmal ist das schon so ein Club-Gefühl. Das Leben ist wirklich so anders. Aber keineswegs schlechter. Nur hat man kein ganz eigenes Leben mehr. Das eigene Leben wird nicht mehr durchgedacht ohne Kind. Es ist immer automatisch in den Gedanken. Dass man so unmittelbar und bedingungslos Mutter wird, das kann man sich vorher nicht vorstellen. Da kommt ein Wesen in dein Leben, von dem man sich gar nicht vorstellen kann, wo es vorher war. Das Kind gehört so stark zu einem, wie kein anderer Mensch auf dieser Welt. Wahnsinn. Die Geburt empfand ich auch als ein unglaublich kraftvolles Erlebnis und ich bin sehr glücklich und irgendwie auch stolz, sie gemeistert zu haben.
Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Schlafen, natürlich. In Geschäften bummeln, shoppen, mich treiben lassen, Klamotten anprobieren. In ein Spa gehen, Beautybehandlungen und Massagen von Kopf bis Fuß genießen. Ins Kino gehen. Mit meinem Liebsten in unser altes Stammlokal Paparazzi im Prenzlauer Berg gehen und Pasta essen, Wein trinken und in alten Zeiten schwelgen.
Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Ich finde, das ist eine sehr persönliche und manchmal auch schwierige Entscheidung (für mich war immer klar, dass ich Kinder wollte). Auf jeden Fall muss man versuchen, sich darauf einzustellen, sich gedanklich, körperlich und seelisch mit allen Ressourcen dem Kind zu widmen und eigene Bedürfnisse hintenan zu stellen. Das ist schon sehr anstrengend. Aber ich empfinde immer noch täglich dieses Staunen und diese Grund-Freude über dieses wundervolle, kleine Wesen, das in mir gewachsen ist.
Vielen herzlichen Dank, liebe Julia. Mehr Mutterfragebögen sind
hier zu finden.
Habt ein schönes Wochenende!
PS: Julia sucht eine Wohnung. Falls jemand etwas weiß: 4 Zimmer, ab 100 qm, gerne Badewanne und Balkon, in Schöneberg, Friedenau, Steglitz, Charlottenburg-Wilmersdorf, Prenzlauer Berg oder Pankow - bis Ende des Jahres... Danke!