Remy Shand

Es gibt Lieder, die funktionieren wie Zeitmaschinen. Immer, wenn ich "Schrei nach Liebe" von den Ärzten höre, sitze ich wieder im Zimmer von Jane und wir lesen uns aus unseren Tagebüchern vor und trinken lauwarmen Weißwein und fragen uns, ob F. und E. nun wirklich in uns verliebt sind, also so richtig, und wir in sie. Airs "Moon Safari" ist der Soundtrack vom Filmfest in Oldenburg, eine glückliche und wahnsinnige Zeit, wir sitzen bei über 30 Grad in unserem stickigen Pressebüro und gucken Filme und schreiben Pressetexte und schlafen nicht einmal wenn wir mal könnten und ich fange an zu rauchen, weil ich davon überzeugt bin, dass T. mich dann deutlich aufregender findet. Ryan Adams "Rock n Roll", der Soundtrack zur unglücklichsten Liebesgeschichte meines Lebens, "And everybody knows the way I walk and knows the way I talk and knows the way I feel about you, It´s all a bunch of shit and there´s nothing to do around here, it´s totally fucked up, I´m totally fucked up, Wish you were here." Und Remy Shand, "The Way I Feel". Ich bin fast mit meinem Studium fertig und habe keine Ahnung, was ich damit einmal anfangen soll. Ich mache ein Praktikum bei Amica in Hamburg, vielleicht ist ja der Journalismus etwas für mich, und ich werde in jeder Konferenz rot, weil ich schüchtern bin und alles so unendlich richtig machen will, weil ich endlich etwas gefunden habe, dass mir wirklich Spaß macht, weil ich beweisen will, dass ich gut bin, und dabei natürlich völlig verkrampfe. Und eines Tages, mein Praktikum ist fast vorbei und ich habe schon jede Hoffnung aufgegeben, dass ich noch etwas schreiben darf, kommt mein Chef zu mir und fragt, ob ich nicht diesen Musiker interviewen möchte, diesen Soul-Sänger aus Kanada, hör doch mal rein. Von diesem Tag an habe ich für ein paar Monate lang keine andere Musik gehört als immer nur "The Way I Feel", erst zur Vorbereitung auf mein allererstes Interview, dann weil ich nicht mehr aufhören konnte, weil mir etwas fehlte, wenn ich diese Musik nicht hörte. Und das Interview. Ich war so nervös, dass ich die Fragen auf meinem Zettel kaum lesen konnte, weil meine Hände so gezittert haben. Er merkte das natürlich sofort und half mir, erzählte schöne Geschichten und lustige Witze und sagte mir, wie interessant meine Fragen seien. Am Ende dieses Interviews lud er mich zu seinem Showcase ein, eines der schönsten Konzerte, die ich je gehört habe, auch wenn er nur drei oder vier Lieder spielte. Eine Weile war Remy Shand noch ziemlich erfolgreich, dann tauchte er völlig ab. Ich weiß nicht, wie oft ich nachgeschaut habe, ob er endlich mal wieder eine neue CD aufgenommen hat, immer ohne jeden Erfolg. Es ginge ihm nicht sonderlich gut, steht in irgendwelchen Foren, er hätte eine katastrophale Scheidung hinter sich und sei depressiv. Eben habe ich mal wieder nach ihm geschaut, das erste Mal seit Ewigkeiten, und plötzlich finde ich diesen Artikel vom August 2010 "Remy Shand is Back? New Track?", darunter eine sehr schlechte Aufnahme von einem sehr guten Song.

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