Fanny (und das Leben)


























Fünf Monate.

Ich erinnere mich noch gut an die Angst, die ich hatte, bevor Fanny auf die Welt kam. Die Angst, dass nun der Ernst des Lebens begänne, dass mein Leben als Mutter zugleich das Ende meines bisherigen Lebens sein würde. Und natürlich ist das auch so. Ich bin nicht sonderlich flexibel, den Rhythmus des Tages gibt Fanny vor. Es gibt nicht sonderlich viel Schlaf, die meiste Zeit bin ich hundemüde. Ich bin in den letzten fünf Monaten auch nicht sonderlich viel vor die Tür gekommen. Manchmal finde ich das Leben mit Baby auch einfach stinklangweilig. Die immergleichen Wege, die ich gehe, wenn sie nicht einschlafen kann, ein Trampfelpfad vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, shhhhhh, shhhhhh, schlaf doch ein. Ich weiß, dass es vermutlich nicht leichter werden wird, kleine Kinder, kleine Probleme, große Kinder, große Probleme, hat mir ein Freund neulich geschrieben. Ich weiß, dass wir noch viel zusammen durchmachen werden, dass sie "Eltern verboten" an ihre Kinderzimmertür schreiben und mich blöd und spießig und gemein finden wird, dass sie Liebeskummer haben wird, und dass ich diesen Kerl (oder dieses Mädchen) nicht einmal werde anbrüllen dürfen, dass ich sie irgendwann nicht mehr öffentlich küssen darf, dass sie traurig und verletzt sein wird, weil irgendeine blöde Kuh aus ihrer Klasse gemein zu ihr war. Und ich weiß, dass sie mich irgendwann fragen wird, ob ich sie hübsch finde oder nicht doch viel zu fett, guck doch mal und sag mal ehrlich.

Seltsamerweise glaube ich, dass wir das schon alles schaffen werden. Wie wir es auch jetzt schaffen. Obwohl schaffen ein ganz falsches Wort dafür ist, denn das klingt, als wäre das alles vor allem anstrengend. Ich bin aber gerade glücklich, auf eine unspektakuläre, aber sehr fundamentale Weise. Ich weiß, dass alles gut ist, wie es ist, er und ich und Fanny und unser Leben in dieser Wohnung, in dieser Stadt. Ich bin auch nicht mehr so leicht zu erschüttern. Und ärgere mich auch nicht mehr endlos über die immergleichen Menschen und Dinge (nur noch ein bisschen). Natürlich mache ich mich immer wieder auch wahnsinnig, was, wenn wir keinen Kita-Platz finden, ich mag nächstes Jahr doch wieder arbeiten, was, wenn mich bis dahin alle vergessen haben, bin ich eine gute Mutter und woher weiß man das eigentlich genau. Aber ich verbringe nicht mehr ganze Tage mit diesen Rumgrübeleien (vor allem, weil mir die Zeit dazu fehlt). Ich habe gelernt, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich es mal nicht schaffe, meine To-Do-Liste abzuarbeiten, es gibt sogar Tage, an denen ich nicht einmal eine schreibe (und das ich).

Manchmal erschrickt mich dieses Glück, ich denke dann immer, dass ich irgendetwas übersehe, dass ich doch nicht wirklich so glücklich sein kann, nach all den Jahren, nach all den beschissenen Kerlen und Bauchlandungen, nach all dem Rumgesuche nach dem richtigen Leben. Aber vielleicht ist das ja manchmal so mit dem Ernst des Lebens, und noch während man vor ihm in Deckung gehen möchte, ist er schon da und macht einen glücklich.

11 Kommentare:

  1. ein wunderschöner letzter absatz, du sprichst mir aus der seele

    e. (va)

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  2. Sooo schöne Worte Okka! Die fast in mir ein bisschen Wehmut aufkommen lassen, wenn ich zurückdenke an die Zeit als unsere beiden Kinder 5 Monate alt waren. Und nun werden sie schon 6 und 8 Jahre. Wo ist die Zeit nur so schnell hin? Eine Frage, die wir uns lieber nicht stellen, sondern weiterhin jeden Augenblick genießen (gut, vielleicht nicht immer alle...)!
    Liebe Grüße!

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  3. bitte nimm nicht vorweg, dass es ein Kerl sein wird, der ihr Herz einmal bricht/erobert... vielleicht wird es ein anderes Mädchen sein, aber sie traut sich dann gar nicht, es dir zu erzählen. weil du ja seit Jahren davon ausgehst, dass es ein Kerl sein wird... unsere Generation junger Mamas sollte den Kindern jedes leben zugestehen, auch das homosexuelle!

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  4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  5. liebe nina, da gebe ich dir völlig recht. wir sollten unseren kindern jedes leben und jede liebe zugestehen. im übrigen finde auch ich schnelle vermutungen und zuschreibungen über andere menschen ziemlich überflüssig.

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  6. schön, dass du antwortest! ich hatte erwartet, du ordnest den kommentar in die kategorie "avoid negative people" ein...

    mir fällt immer wieder auf, wie wir eltern (ich nehm mich nicht aus) regelmäßig dinge sagen wie "später kann die ella den henry heiraten..." oder "gustav der pampersmacho hat jetzt schon ein faible für kleine blondinen". ist alles liebevoll gemeint... aber nachdem in unserem umfeld ein siebzehnjähriger einen suizidversuch unternahm, weil er fürchtete, dass seine familie sein schwulsein verurteilen wird, bin ich (über)sensibilisiert für das thema. seine eltern sind übrigens keine strengkatholischen reaktionäre sondern ein liberales und liebevolles paar mit 68er vergangenheit. der bengel hat seinen total eltern inzwischen gesagt, dass er sich schon als grundschulkind unglücklich fühlte, wenn in der nachbarschaft gejuxt wurde, dass er seine beste freundin aus der nachbarwohnung mal heiraten würde. er wusste laut eigener aussage schon als abc-schütze, dass er viel lieber den nachbarsbuben heiraten würde...

    ergo: ich versuche, bestimmte zuschreibungen bewusst aus meinem alltags-gebrauch zu streichen, bzw. mal zu variieren... sorry, wenn es moralisierend rüberkam!

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  7. liebe nina, nein, das ist völlig okay. zumal du ja wirklich recht hast damit. und diese sensibilisierung wichtig ist. auf dass es unseren kindern nicht so ergeht... (hast du einen jungen oder ein mädchen?).

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  8. guten abend okka,

    so jetzt erst komme ich zum antwortschreiben, davor war immer so viel trubel. ich habe eine tochter und einen sohn, sie sind fast vier und grad eins (gestern!). und dann habe ich noch zwei stiefkinder, die sind neun und grad zwölf (karfreitag!), auch mädchen und bub. und mit 12 nimmt das thema verliebtsein SEHR VIEL RAUM EiN!!!

    was wohl noch ein grund ist, warum ich für das ganze "welches geschlecht wir uns zum lieben suchen" sensibilisiert bin.

    mittwochsgruß, n.

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  9. zwar ein etwas später kommentar, aber der ist soooooo schön geschrieben, vor allem der letzte absatz!!!
    Ich wünsche dir alle kraft der welt und ihr werdet das auf jeden fall meistern... mit allen höhen und tiefen!

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  10. du kannst aber auch schreiben, liebe okka.
    da bin ich ganz gerührt!

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