DIE ZWEITE SCHWANGERSCHAFT



Gestern Nachmittag wäre ich fast eingeschlafen. Aber da kam sie zum Bett, ganz leise nur, Mamabär, bist du eingeschlafen? Ehe ich ihr antworten konnte, lag sie schon in meinem Arm, streichelte meinen Bauch und sprach ganz leise mit dem Baby, erzählte, wie der Tag in der Schule war und was es zum Nachtisch gegeben hatte und dass sie jetzt Dreien schreiben kann, großer Buckel, großer Bauch, ja, die Drei kann ich jetzt auch. Das Baby fing an, gegen ihre Hand zu treten, wie es das eigentlich immer macht, sobald sie anfängt, mit ihm zu reden, als würden die beiden sich längst kennen. Ich war so glücklich in diesem Moment. Und herzwackelig.

Wie schnell diese Schwangerschaft vorübergegangen ist. Aus ein paar Monaten sind ein paar Wochen geworden, jetzt zählen wir schon die letzten Tage bis zur Geburt. Die erste Schwangerschaft hat gefühlt doppelt so lange gedauert wie diese. Ich habe mir Notizen gemacht, geschmiert und gecremt, die Spieluhr auf meinen Bauch gelegt, Stunden mit ihm darüber geredet, wie wir uns das Elternsein vorstellen und uns als Eltern. Diese Schwangerschaft war eher eine der kleinen Momente. Vom Arzt nach Hause zu kommen und Fanny zu sagen, dass da ein Baby in meinem Bauch ist. Und ihr Blick. Mit ihr gemeinsam die allerersten Babysachen zu kaufen, wir wussten noch nicht einmal, ob es ein Mädchen oder Junge wird. Der Teller, den Fanny beim Tischdecken neben meinen stellt, weil Baby doch auch einen Teller braucht. Selbstgestrickte Babysachen in der Post. Beknackte Gelüste: Brause-Ufos, Melone, Schokoladen-Vanille-Karamelleis – und nichts von alledem hat mich vorher groß interessiert. In den Bauch gesungene Einschlaflieder und draufgeschmatzte Guten-Morgen-Küsse. Zu heulen, aber so richtig, weil, weil, ach, einfach weil. Gemeinsam Namen zu überlegen (und am Ende ist es der Name geworden, der Fanny eingefallen ist). Jeden Dienstagmorgen mit ihr im Bett zu liegen und zu schauen, welches Tier jetzt genauso groß ist wie das Baby – eine Funktion in meiner Schwangerschaftsapp, die wir erst ziemlich am Ende gefunden haben und irre mochten, schon für die Entdeckung des Kurzschwanzkängurus und Widderkaninchens. Zwei Kuschelhasen zu kaufen: einen großen für Fanny und einen kleinen für das Baby, als Überraschung für beide zur Geburt. Das Ultraschallbild, das bloß einen Fuß zeigt. Und winzige Söckchen für diesen Fuß zu kaufen. Meine Hand auf den Bauch zu legen und plötzlich einen Tritt zu kriegen und zurück zu kitzeln und dann kommt noch ein Tritt. All diese winzigen Dinge in die Wickelkommode einzuräumen. Ich hatte vergessen, wie klein sie am Anfang sind. Abends im Bett zu liegen, wenn alle schon schlafen, und nur wir beide sind noch (oder schon wieder) wach. 

Ich freue mich so, ich bin schon wieder ganz liebesweich. Aufgeregt bin ich auch. Nein, unruhig. Viel unruhiger als ich es erwartet hatte. Ich dachte, ich wäre halbwegs vorbereitet. Ich dachte, ich wüsste schon ein wenig über das Muttersein. Und ich weiß ja auch so einiges. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man einem kleinen Menschen beim Leben zuschaut. Und dabei merkt, wie toll das ist – wie reich, wie aufregend, wie lustig, wie viel. Ich weiß, dass ich eine Weile brauchen werde, bis ich wieder in diesem Tempo ankommen werde, das man mit einem Baby hat, diesem Leben in Zeitlupe, vor allem nach den letzten Monaten im Dauerlauf. Ich weiß, wie nah die Nähe ist – so nah, wie Nähe einem nur nah sein kann, wenn man sich nicht mehr einen Körper teilt. Ich weiß, dass jede Phase, egal welche, wieder vorübergehen wird. Ich weiß, wie schnell aus diesem winzigkleinen Wesen ein Kind werden wird, dass sich mit einem Kuss in den Schultag verabschiedet, ohne sich noch einmal umzusehen. Ich weiß, dass ich manchmal zweifeln werde, an allem, an mir, auch als Mutter, mich fragen werde, warum ich an manchen Tagen so ungeduldig werde und dann so ungerecht, vor allem ihm gegenüber, aber auch mir und unserem Leben gegenüber. Ich weiß, dass es hunderte Momente geben wird, die einfach bloß Momente sind, und es genau diese Momente sein werden, auf die ich zurückschaue, wenn ich wieder eine neue Kerze in den Geburtstagskuchen pike. Ich weiß, dass ich mit dem Baby in der Küche stehen und tanzen werde, zu allen möglichen strunzbeknackten und wunderschönen Songs, bis ich die gefunden habe, die ihm gefallen. Ich weiß, dass es dunkle Tage geben wird, Tage, in denen alles schwer ist, manchmal so schwer, dass es mich in die Knie zwingt. Und blinzelhelle Tage. Ich weiß, dass sich meine Prioritäten wieder verschieben werden, dass sich das Nicht-Wichtige und das Schon-überhaupt-nicht-Wichtige noch mehr vom Wichtigen trennen werden (was mich trotzdem nicht davon abhalten wird, mir den Kopf über Blödkram und Doofköppe zu zerbrechen). Ich weiß, dass ich zu oft versuchen werde, alles ganz besonders richtig zu machen. Ich weiß, dass Pfannkuchen gegen vieles helfen. Ich weiß, dass es auch nach Tagen, Monaten, Jahren immer wieder Momente geben wird, in denen ich nicht glauben kann, dass dieses Kind mein Kind ist. Ich weiß, dass es Wichtigeres gibt, als eine aufgeräumte Wohnung (und trotzdem viel zu oft aufräumen werde). Ich weiß, dass ich mich besser kennenlernen werde, Seiten an mir entdecken werde, von denen ich keine Ahnung hatte. Ich weiß, dass ich oft Angst haben werde. Ich weiß, dass ich oft dankbar sein werde. Ich weiß, wie sehr mich die Liebe immer wieder umhauen wird, die Selbstverständlichkeit ihres schieren Vorhandenseins und ihre Unumstößlichkeit. Auch die Sorgen, die mit ihr kommen. Und das immer wieder Loslassen müssen und Loslassen dürfen. 

Vor allem aber weiß ich, dass ich im Grunde gar nichts weiß. Bloß dass mich das Leben mit zwei Kindern wahrscheinlich wieder genauso überrumpeln und überraschen, überfordern und überglücklich machen wird wie beim ersten Mal. Und vielleicht ist das ja auch schon alles, was ich wissen muss.



Fotos aus SSW-Woche 26 von Kathi Tennstedt-Horn.

31 Kommentare:

  1. Wunder-, wunderschön! Alles Gute!

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  2. Ja! Wunderschön.


    Mehr braucht man dazu nicht schreiben.

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  3. Danke für den Text. Er berührt ganz tief innen.
    Alles Gute für Euch vier!

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  4. Ach Okka...
    Wie wunderschön du aussiehst und wie toll es ist mal wieder ein Bild von dir zu sehen! Der Text ist sehr sehr wahr und es tut so gut zu lesen, dass auch du die gleichen Gedanken und Gefühle als Mama hast :)
    Ich drücke dir ganz fest die Daumen und wünsche dir viel Kraft und Sonne im Herzen für die aufregende Zeit die auf dich zukommt!Es wird ganz wunderbar!
    Liebe Grüße Astrid*

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  5. Oh...ich sitze gerade mit Tränen in den Augen an meinem Rechner...auf der Arbeit ;-)

    so schöne wahre Worte und ich freue mich sehr für euch unbekannterweise! Das ist einfach Liebe...

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  6. Du wunderbare Okka,
    genau darum lese ich so gerne von Dir, Dankeschön dafür.
    Und alles Glück der Welt für Dich und Deine Lieben.
    Angela

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  7. Was für ein wunderbarer Beitrag. Ich bin auch Mama von zwei und mit diesen Zeilen hast du mir echt die Tränen der Rührung in die Augen getrieben. So wunderbare Worte!

    Alles Liebe
    Michaela

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  8. Liebe Okka,

    ja, genauso ist es. Immer wieder findest du so tiefe, berührende Worte, danke.
    Ich bin eine Mama von sechs, mittlerweile erwachsenen Kindern und auch eine sehr glückliche Oma.
    Kinder sind die wunderbarsten Geschenke des Lebens an uns*******

    Herzlich
    Susanne

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  9. Oh Gott, ich weine schon wieder. Dabei sind die Tränen vom Wochenende noch gar nicht richtig getrocknet. Da habe ich nämlich dein Buch gelesen. Und weil meine Kleine nächste Woche eins wird und demnächst in die Kita gehen wird (sprich: ich gerade ein sentimentales Muttertier bin, das sich am liebsten für immer mit seinem Baby in einer Höhle verkriechen würde), hat es mich so berührt, dass ich Pausen machen musste, um mal wieder durchzuatmen. Danke für deine wunderbaren Worte. Alles Liebe!

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  10. Liebe Okka,

    ich freue mich so sehr, dass ich vor fast sechs Jahren (als meine Tochter gerade geboren war) deinen Blog gefunden habe. Deine Texte - egal, ob über die vermeintlich unwichtigen Dinge wie Kosmetik oder über das, was wirklich zählt - finde ich so großartig, dass ich sie immer und immer wieder lese. Und so oft finde ich mich und mein mittlerweile großes kleines Mädchen bei dir wieder. Herzlichen Dank dafür!

    Ich wünsche Dir von Herzen alles Liebe und Gute für die kommende Zeit!

    Liebe Grüße aus Hamburg
    Lara

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  11. Liebe Okka,

    mir geht's wie Lara. Es ist immer so schön bei Dir zu lesen, das fühlt sich an wie "nach Hause kommen". Und macht mich "herzwackelig".
    Irgendwie fühle ich mich immer ein wenig mit Dir verbunden, weil Fanny und der Mini Pfau gleichalt sind und mir ging es schon beim Lesen Deiner Briefe an Fanny und Deines Buches so, dass ich ständig da saß und mit dem Kopf nickte - einfach, weil mir das alles so bekannt vorkam/vorkommt, nur mit dem Unterschied, dass Du immer die perfekten Worte dafür findest.

    Ich wünsche euch von Herzen alles Gute!

    Liebe Grüße,
    Vanessa

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  12. Super schön beschrieben und ich wünsche dir und deiner Familie von Herzen alles, alles Liebe und Gute!

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  13. Liebe Okka, ich schließe mich an. Wunderschön. Und ich freu mich für Dich und bin glücklich, dass es Slomo gibt! Fürs Immer-wieder-Lesen....Deine Texte berühren einen und machen MICH herzwackelig....alles alles Gute für Euch, Josefine

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  14. Liebe Okka, Ich wünsche euch 4 alles alles Gute! Der Text ist so berührend, vieles ist so wahr, wie Vanessa oben schreibt, man nickt mit dem Kopf, weil alles so bekannt ist, nur das du die perfekten Worte dafür findest. Ich freue mich immer sehr über neue Posts von dir und dein Blog ist der einzige einzige einzige den ich über Jahre IMMER lese, ich finde man merkt sofort, ob ein Artikel er mit Herzblut geschrieben ist oder nicht (was mir aber nur einmal ein bisschen aufgefallen ist). Bitte behalte dir das bei, bewahr dir die Leidenschaft hierfür - deine Leser sind kluge Menschen, die auch abwarten können, bis es mal wieder einen Post gibt oder eben nicht. Deine Posts kann man auch öfter lesen :). Alles Liebe aus Bayern, Vera

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  15. Alles, alles Gute für die nächsten Stunden, Tage, Wochen liebe Okka!!!
    Und wieder mal DANKE -von Herzen- für diesen so wahren und schönen Text. Vermutlich kennst du die wenigsten der LeserInnen deines Blogs persönlich und teilst dennoch so wichtige Ereignisse mit uns. Das finde ich wunderbar und hoffe, du merkst, wie dankbar wir dir alle sind für diesen Blog. Oben schrieb jemand, es sei wie "nach Hause kommen", wenn man hier durch deine Texte stöbert. Das finde ich auch.
    Viele tausend Grüße von Judith

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  16. Hallo Okka, Du schaffst es jedes Mal mit Deinen Worten mich zu berühren, mich seufzen zu lassen und mich dankbar zu machen, an Deinen Worten teilhaben zu dürfen. Danke, Danke, Danke. Liebe Grüße, Elisabeth

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  17. Wie hübsch du aussiehst schwanger - das steht dir richtig gut... so von innen heraus!

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  18. Liebe Okka,

    danke für den wunderbaren Text! Eine Frage hätte ich: Wie heißt denn die App (die brauch' ich auch!)

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    1. Danke, liebe Stephanie. Die App heißt "Ovia Pregnancy" und wenn du auf das Bild links neben der Hand gehst (die übrigens auch total süß ist), kannst du unten recht auf "Pick a theme" gehen und dann "Weird-but-cute-animals" anwählen... Liebe Grüße und viel Spaß damit! Okka

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  19. Liebe Okka,
    wie wundervoll deine Worte - ich bin morgens schon mehr als gerührt! Mein Sohn wird bald 14 Jahre und ist in der Phase, in der ich als Mutter eher nur noch peinlich und nervig bin - auch wichtig, aber auch ganz schön schwer für Mama`s! Deshalb um so schöner deine Worte zu der Vorfreude auf eine spannende neue Zeit...ich wünsche dir eine wunderschöne Geburt und alles Liebe...von Herzen Julia

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  20. Ach, schreib doch nicht solche Texte, wenn noch-stillende-hormondurchflutete-2-fach-Mütter sie lesen können :D
    So treffend, so zauberhaft, so wahr!
    Ich wünsche euch nur das Beste auf diesem schon bekannten, völlig neuem Weg!

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  21. "liebeswach" hat mir besonders gefallen! Ich habe schon lange darauf gewartet, Dir wieder so beim Fühlen, Denken, Erzählen zuschauen (bzw. zulesen) zu können... Danke für diesen Text!
    Ach, und wie zauberhaft Fanny ist und als große Schwester sein wird...
    Einen guten, innigen Start in ein aufregendes Leben zu Viert - und liebe Grüße aus Hamburg!

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  22. Liebe Okka,
    mal wieder ein wunderschöner Text, der mir schon beim Lesen die Tränen in die Augen treibt vor lauter Rührung. Ich bin ebenfalls gerade mit unserem zweiten Kind schwanger und kann so vieles bestätigen, was du schreibst.
    Ich wünsche dir für den Endspurt und für die bevorstehende Geburt alles Gute und ganz viel Kraft! Und natürlich eine zauberhafte erste Zeit zu Viert!
    Liebe Grüße aus München

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  23. hach okka...,

    so wunderbar deine worte...eine ganz wundervolle liebeserklärung an deine kinder und dein mama-sein.

    ich wünsch euch von herzen alles liebe für euer neues abenteuer zu viert!
    alles liebe aus ibk,
    angelika

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  24. Ach Okka du findest immer so unglaublich schöne Worte für alles. Danke, dass du sie mit uns teilst. Es wird grossartig.... herzlichst, Linda

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  25. So schön und würdevoll siehst Du aus! Und diese Bluse ist sensationell. Was für eine Freude, von Dir zu lesen! Genieß diese magische Zeit! Ganz viele liebe Wünsche aus München! Christine

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  26. Liebe Okka,
    Vor sechs Jahren habe ich angefangen deinen Blog zu lesen, da war gerade mein süßer kleiner Junge geboren. Jetzt sechs Jahre später kuschel ich gerade mit mit unserem zweiten kleinen Baby-Jungen. Wir haben uns -unbewusst- Zeit gelassen zwischen den Kindern und ich es ist einfach toll.
    Ein großer selbstbewusster stolzer kleiner grosser Bruder der jetzt sogar ein Schulkind ist und ein kleiner Wurm den man unendlich genießen kann.
    Ganz liebe Grüße und alles Gute für euch
    Kathrin

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  27. Liebe Okka.
    Gerade wenn man denkt wie kann diese Liebe im Herzen noch groesser werden, dann schaut man auf das neue Menschenkind...und hat die Liebe doppelt. Dein Text hat mich genau an diesen Moment erinnert. Danke.

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