DER STAPEL NEBEN MEINEM BETT


Diese Bücher liegen gerade neben meinem Bett. Und erinnern mich daran, wie gut es tut, in Büchern verloren zu gehen. Habe ich in letzter Zeit viel zu selten gemacht...

Der Untertitel des Buches ist so gar nicht mein Fall. „Nimm dein Leben in die Hand und es wird dir gelingen” steht da. Wenn das nur so einfach wäre. Aber ich mag Elizabeth Gilbert. Und das Thema interessiert mich sehr: Wie schafft man es, ein kreatives Leben zu führen (ohne dass es allzu sehr weh tut?)? Steffi mochte dieses Buch sehr. Caroline, die Co-Autorin von „A Cup of Jo”, von der ich immer so gerne lese, auch. Falls ihr es gelesen habt: Hat es euch gefallen?


Wenn wir beide uns so paarmäßig erzählen, wie unser Tag war, wird es mitunter seltsam – weil jeder von uns beiden sich manchmal mit seltsamen Dingen beschäftigt. Neulich hat er begonnen, von dieser verrückten und bewundernswerten kalifornischen Bestatterin namens Caitlin Doughty zu erzählen, über ihre Erlebnisse beim Abholen von Verstorbenen, beim Verbrennen von Leichen, über ihre Traurigkeiten und ihre Unerschrockenheit, über all das zu berichten, weil der Tod leichter wird, wenn man ihn nicht beschweigt und verdrängt. Er war begeistert von diesem Buch, auf das ich nie von selbst gekommen wäre, weil auch ich jemand bin, der sich mit diesem Thema am liebsten gar nicht auseinandersetzt. Aber wenn er recht behält, dann ist Caitlin Doughty eine ganz tolle, warme, lebensfrohe, witzige und menschenfreundliche Frau und deshalb werde ich „Fragen Sie Ihren Bestatter” lesen und das ändern. 


Zuerst ist da der Brief von Königin Elizabeth II. an Präsident Eisenhower. „Sehr geehrter Herr Präsident”, schreibt die Queen 1960, „in der heutigen Zeitung erinnert mich ein Foto von Ihnen beim Wachtelgrillen daran, dass ich Ihnen noch immer nicht das Eierkuchenrezept geschickt habe, das ich Ihnen auf Balmoral versprochen hatte. Nun beeile ich mich, dies nachzuholen, und ich hoffe, sie werden ein Erfolg.” Es folgt das Rezept für die königlichen Eierkuchen. Oder die Antwort von Iggy Pop auf den Fanbrief der 21-jährigen Laurence: „(...) Such Dir etwas, das Du wirklich liebst. Ganz offensichtlich bist Du ein verflucht aufgewecktes junges Ding, das noch dazu ein großes Herz hat. Nachträglich wünsche ich Dir einen HAPPY HAPPY HAPPY 21. Geburtstag und frohen Mut. Als ich einundzwanzig wurde, war ich auch extrem unglücklich und hatte schwer zu kämpfen. Auf der Bühne wurde ich ausgebuht, ich hatte keine eigene Wohnung und war verängstigt. Und auch wenn das schon lange her ist, hat man in diesem Leben immer einen gewissen Druck. Mein Song „Perforation Problems” handelt davon, dass sich die Lücken in unseren Lebensgeschichten nie ganz schließen werden, egal, was wir aus unserem Leben machen. Also, halt durch, meine Liebe, werd groß und stark und lass Dich nicht unterkriegen.” Und der Brief von Ronald Reagan an seinen Stiefsohn Mike, kurz vor dessen Hochzeit: „Ein altes physikalisches Gesetz sagt, dass man aus einer Sache nur so viel herausholen kann, wie man vorher in sie investiert hat. (...) Wahre Männlichkeit ist, von einer Frau geliebt zu werden, die Dich schnarchen gehört hat, Dich unrasiert gesehen hat, Dich gepflegt hat, wenn Du krank warst, die Deine dreckige Unterwäsche gewaschen hat. Bedenke dies, halte ihre Liebe in Ehren, und Du wirst viel gewinnen. (...) Es gibt kein größeres Glück im Leben eines Mannes, als nach Hause zu kommen und zu wissen, dass da jemand ist, der sich freut, seine Schritte zu hören.” Ein Band von 125 Briefen, zusammengetragen von Shaun Usher, der auch die großartige Website „Letters of Note" betreibt. Ich habe gerade angefangen, in diesem Buch zu lesen, und weiß schon, dass ich das noch ganz oft tun werde.


Auf der Seite neben dem Vorwort gibt es ein Foto, das ich sehr mag. Es zeigt Yvette van Boven in ihrer schon ziemlich dunklen Küche, vorm Ofen sitzend, der leuchtet als wäre er ein Lagerfeuer. In der Küche sieht es aus, als hätte jemand dort gerade so richtig herumgewerkelt, Koch-Chaos, wie ich es von mir kenne. Darunter steht: „Mitten in der Nacht vorm Ofen, Amsterdam”. Ich finde, dieses Bild beschreibt das neue Backbuch der Holländerin ziemlich gut. Noch zu ergänzen wäre, dass es so unfassbar schön gestaltet ist, dass man sich darin so richtig satt (oder vielleicht eher: hungrig?) lesen kann. Und man in „Home Baked” lauter Rezepte findet, mit denen man ein bisschen schöner durch die Dunkelheit der nächsten Wochen kommt: für Früchtebrot mit Haferflocken, Schokoladen-Olivenöl-Kuchen, Zitronen-Polenta-Küchlein, Blechkuchen mit schokoladigem Dattel-Pekannuss-Belag oder Süßkartoffel-Zimtschnecken. Die werden am Wochenende ausprobiert.


Wie Oliver Sacks würde ich in meinem Leben gerne noch werden: Ein Mensch, der nie aufhören kann, neugierig zu sein. Ein Mensch, der in jeder Abweichung, in jeder Ungewöhnlichkeit etwas Faszinierendes sieht, von dem man lernen kann – und der Mann ist während seines langen Berufslebens als Neurologe unaufhörlich mit Abweichungen konfrontiert gewesen. Wie man zurechtkommt, wenn man als Maler nach einer Kopfverletzung plötzlich farbenblind wird, Musik nur als Krach empfinden kann oder durch einen Unfall plötzlich nicht mehr wie ein Mensch riecht, sondern den Geruchssinn eines Hundes hat: von solchen Schicksalen hat Sacks in seinen Büchern berichtet. Immer, wenn ich etwas von ihm gelesen habe, bin ich nicht nur dankbar dafür, so viel Sachliches zu erfahren (zum Beispiel wie merkwürdig das menschliche Gehirn funktioniert), sondern und vor allem sehr beeindruckt – von seiner Neugier, seiner Zuwendung, seinem Respektieren, seinem Mögen-Können. In der kurzen Zeit, die ihm zwischen der Diagnose seines tödlichen Krebses und seinem Tod blieb, hat er für die New York Times Texte geschrieben, die eine Art Bilanz sind. Und seine Dankbarkeit dem Leben gegenüber ausdrücken, das ihn so reich beschenkt hat. Dabei war es ein Geschenk, das er sich selbst gemacht hat – durch seine Haltung dem Leben gegenüber. 



6) „A Modern Way to Cook" von Anna Jones (Mosaik)
Anna Jones hat ihre Ausbildung in Jamie Olivers „Fifteen” gemacht. Seitdem arbeitet sie als Köchin, Food-Stylistin und Autorin. In diesem wunderschön minimalistisch gestalteten Kochbuch stellt sie 200 vegetarische Rezepte für jeden Tag vor: Bananen-Blaubeer-Pecannuss-Pancakes, Süßkartoffel-Quesadillas, Tomatensuppe, Herbst-Panzanella oder gerösteten Kürbis. Zu den Rezepten, die immer in die beiden sehr praktischen Kategorien „Quick” und „Slow” aufgeteilt sind, gibt es aber auch Ideen und Grundsätzliches. Jones erklärt zum Beispiel, was ihr durch den Kopf geht, wenn sie ein Rezept schreibt. Oder: Was man alles mit einem Sandwich anstellen kann. Und wenn die Rezepte so gut schmecken wie sie aussehen, dann wird dieses Kochbuch ein Lieblingskochbuch.



Was liegt denn gerade auf eurem Stapel?

13 Kommentare:

  1. ... Anna Jones liegt bei mir auch, da blogge ich bald drüber. Ansonsten hab ich mir ganzganz viele Tipps eingeholt in letzter Zeit - von philuko beispielsweise, doch mal wieder Kästner zu lesen. Das mach ich auf jeden Fall. Derzeit:"Tschick" von Herrndorf... Dann versumpfen wir mal ordentlich auf dem Sofa, was?

    Lieben Gruß!
    Marlene

    AntwortenLöschen
  2. Aber sowas von. "Tschick" ist so ein tolles Buch, wie gerne habe ich das gelesen – also viel Spaß damit!

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Okka,
    ich hatte mich auch so auf das neue Buch von Elizabeth Gilbert gefreut. "EatPrayLove" war so etwas wie meine Bibel. Aber leider muss ich zugeben, dass ich ziemlich enttäuscht war. Nach dem Lesen des Buches blieb lediglich ein fades Gefühl zurück. Keine neuen Erkenntnisse, keine AHA-Momente. Schade!
    "Letters of Note" habe ich auch und liebe es!
    Bei mir auf dem Stapel liegen gerade "Schmerz" von Zeruya Shalev, " und "Unschuld" von Jonathan Franzen. Gerade zuende gelesen habe ich gestern "Der Himmel über Paris" von Bregje Hofstedt.

    Ganz liebe Grüße
    Susa

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Okka,
    eine inspirierende Liste, da wird mein Stapel Zuwachs bekommen.
    der bisherige sieht so aus:
    1. Anna Jones: A Modern Way To Eat ( ja, bei mir auch)
    2. Anthony Doerr: Alles Licht was wir nicht sehen
    3. Michael Bordt: Die Kunst sich selbst auszuhalten
    4. Jocelyne Saucier: Ein Leben mehr
    5. Jan Costin Wagner: Sonenspiegelung
    LG Frieda

    AntwortenLöschen
  5. Liebe Okka, oh nein, jetzt habe ich wieder einen langen Wunschzettel und Weihnachten ist doch gerade erst vorbei. Hach, aber deine Tipps sind einfach immer zu verlockend. Was für ein Glück das ich bald mit Der Distelfink von Donna Tartt durch bin (kann ich dir nur wärmstens ans Herz legen) und somit wieder Platz auf meinem Nachtkästchen ist.
    Liebe Grüße, Sabrina

    AntwortenLöschen
  6. Dankbarkeit und Letter of Note werden dann auf meiner Geburtstagswunschliste landen.
    Habe schon so einiges an Büchern von dem Stapel neben deinem Bett nachgekauft und wurde noch nicht enttäuscht. Dafür mal ein Danke :)
    Hier liegen tatsächlich gerade EatPrayLove, von meiner Schwester empfohlen, Fast genial von Benedict Welsh und Wann wird es endlich wieder so, wie es war von Joachim Meyerhoff. Aber viel zu oft macht sich abends diese Wintermüdigkeit breit und ich schaffe nur noch drei Seiten.
    Liebe Grüße, Martje

    AntwortenLöschen
  7. Eine tolle Liste, ich werde das ein oder andere bestimmt auch auf meine setzen, vor allem die Briefe. Bei mir neben dem Bett gerade: Marie Antoinette von Stefan Zweig (ich bin fast durch, was für eine Sprache, was für eine Geschichte!), die Tagebücher von Astrid Lindgren, Erebos von Poznanski, Dr. Sex von TC Boyle und Was vorhaben muss man von Rolf Hochhuth. Außerdem auf dem Sofa: Frauen und Kleider (wunderbar!!!) und Man muss ein Spiel auch lesen können (mein 1. Fußballbuch). Liebe Grüße, Kati

    AntwortenLöschen
  8. Bin gerade an "Das Gegenteil von Einsamkeit" von Marina Keegan dran. Auch sehr empfehlenswert, tolle Sprache und bewundenswerter Tiefgang der jungen Autorin. Leider das einzige Buch von ihr...

    AntwortenLöschen
  9. Liebe Okka, danke für die Anregungen. " Dankbarkeit" und "Fragen Sie Ihren Bestallter" werden auf meinen Stapel kommen. "a modern way to eat" ist zusammen mit " Oh She Glows" schon auf dem Stapel in der Küche. Auf dem Nachttisch liegen von Toni Ungerer "besser spät als nie" und "der Bär, der nicht war" von Oren Larie. Und auf dem in Wohnzimmer: "der Distelfink" und " Lebensstufen"
    Ganz liebe Grüße, Romy

    AntwortenLöschen
  10. Hallo Okka,
    wie schaffst Du es bloß immer, das ich heulend vor Deinem Block sitze. Egal welches Thema, es endet damit, das Du und Deine Beiträge mich berühren und bereichern. Ganz zu schweigen von Deinem Buch und den Briefen an Deine Fanny (meine Kleine wird nächsten Monat zwei). Der Film von Elizabeth Gilbert hat mich gerade sehr berührt. Bin Kunsthandwerkerin, ist wohl gerade mein Thema...
    Auf meinem Nachttisch liegt gerade "Altes Land" von Dörte Hansen. Ich lebe genau dort, auch in einem alten renovierungsbedürftigen Haus, ist wohl gerade auch mein Thema...aber es amüsiert mich sehr, eben weil ich auch hier lebe (vorher in Hamburg).
    Liebe Okka, vielen Dank für Deine unterschiedlichsten Anregungen, ob Musik, Filme oder auch Bücher, es ist immer etwas für mich dabei!
    Gruss Jessi

    AntwortenLöschen
  11. Hallo Okka und alle anderen, über Anna Jones' Buch habe ich auch schon gebloggt. Bei mir gibt's ein Rezept dazu: http://franz-allesmitliebe.blogspot.de/2015/10/ein-neues-kochbuch-ein-veganes-rezept.html

    Außerdem bin ich gerade süchtig nach den Krimis des Duos Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt mit dem gebeutelten Psychologen Sebastian Bergman.
    Super fand ich auch Jonathan Franzens neuesten Roman "Unschuld", auch wenn er nicht an die "Korrekturen" ran kommt...
    Und wegen der Atmosphäre und den Essenszubereitungen mag ich Martin Walkers Bruno-Krimis, der neueste heißt "Eskapaden".
    Demnächst lesen werde ich:
    - Jane Gardam: Ein untadeliger Mann
    - Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke.
    Schönen Tag euch allen!

    AntwortenLöschen
  12. ... nur ganz kurz: von Elizabeth Gilbert ist "Das Wesen der Dinge und der Liebe" mein absoluter Favorit des letzten Jahres (und auch unter ihren bisherigen Büchern – wobei ich nicht allealle kenne). Ich kann Euch nur empfehlen, es auch noch auf den Stapel zu legen!

    AntwortenLöschen
  13. Ich lese aktuell gerade 89/90 von Peter Richter, der die Zeit des Mauerfalls aus der Perspektive seines damals 16jährigen Ich`s erzählt. Und da der Autor und ich im selben Jahr geboren wurden, decken sich viele seiner Wahrnehmungen und Gedanken der damaligen Zeit mit meinen, so dass es sich beim Lesen oft ein bißchen wie Zeitreise anfühlt.
    Weitere Bücher auf meinem Stapel sind: Zu viel Glück von Alice Munro und Grün ist die Hoffnung von T.C. Boyle. Und immer wieder und liebend gern alles von Sandor Marai - was für eine wundervolle Sprache (besonders empfehlenswert für den Anfang finde ich von ihm Wandlungen einer Ehe oder auch Die vier Jahreszeiten).
    Einen schönen Sonntag und liebe Grüße,
    Simone

    AntwortenLöschen

« »

Slomo All rights reserved © Blog Milk Powered by Blogger