Erwischt






Mich eben bei einem Gefühl erwischt, für das ich mich schäme. Mir, bei aller Liebe, bei aller überbordenden, gar nicht mehr in einen Körper oder ein Herz passenden Liebe, gewünscht, endlich mal wieder allein zu sein. Nur für einen Tag. Zu schlafen, eine ganze Nacht, aufzustehen, wenn ich wach bin, oder noch ein bisschen liegen zu bleiben, um schlechtes Frühstücksfernsehen zu gucken, durch die Stadt zu fahren, keine Ahnung wohin, in ein Museum vielleicht, Fotos angucken, an einen See, nachmittags vielleicht kurz in die Friedrichstraße, ein paar Klamotten probieren, ohne dabei auf die Uhr zu gucken, einen Espresso trinken oder zwei, oder in eine Nachmittagsvorstellung, ein guter Film, das Kino ganz leer, und ich such mir einen Platz aus, oder einfach nur daliegen, und gar nichts tun, Musik hören, ein Bier trinken, ein bisschen schreiben, oder auch nicht, eine Nacht lang Filme gucken, für nichts verantwortlich sein, an nichts denken, nichts reden, nichts organisieren, rumsumpfen, kurz darüber nachdenken, ob ich nicht eine rauchen soll, es dann lassen, und stattdessen lieber eine Packung Windbeutel fressen, direkt aus der Packung, noch ein bisschen Musik hören, sentimental werden bei diesem Ryan Adams-Lied und bei Cat Power, so irgendwie. Und dann höre ich sie im Babyfon, ach Fanny, du schläfst doch gerade erst eine Stunde, aber sie weint und ist ganz untröstlich, und ich hab keine Lust, und will jetzt endlich mal Zeit für mich haben, jetzt, um Mitternacht. Und dann lege ich mich neben sie ins Bett und sie rollt sich an mich, nah, nah, noch ein bisschen näher, und legt ihre kleine Patschehand auf meine und vergisst ihren bösen Traum und guckt mich noch mal an und schläft einfach weiter. Und ich muss mich zusammenreißen, nicht zu heulen, vor Müdigkeit, vor Glück und weil ich so bescheuert bin.

Fotos: Marlene Sörensen

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